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Konsumgranate Che Guevara

Marketing-Wissenschaftler Dieter Tscheulin erklärt, wie sich der „Vorzeigekommunist" zum weltweiten Markenprodukt entwickelte

Freiburg, 27.09.2017

Konsumgranate Che Guevara

Foto: juanmartinotero/Fotolia.com

Am 9. Oktober 2017 jährt sich der Todestag von Ernesto Che Guevara zum 50. Mal. Der Argentinier mit abgeschlossenem Medizinstudium war in den Jahren von 1956 bis 1959 neben Fidel Castro ein zentraler Anführer der Rebellenarmee der Kubanischen Revolution. Später versuchte er vergeblich, das kubanische Revolutionsmodell auch in anderen Ländern umzusetzen. Am 8. Oktober 1967 wurde er von bolivianischen Regierungssoldaten gefangen genommen und einen Tag später erschossen. „Sein Aufstieg zur Medienikone begann nur ein Jahr später mit einem einfachen Foto“, sagt Prof. Dr. Dieter Tscheulin von der Universität Freiburg. „Inzwischen ist der Kämpfer für den Kommunismus zum Liebling des Kapitalismus geworden.“

Das Bild, das Guevara mit wehenden Haaren und einem entschlossenen, nach vorne gerichteten Blick, zeigt, wurde von Alberto Korda am 5. März 1960 während einer Rede Fidel Castros in Havanna gemacht. Einige Jahre später wurde es vom irischen Grafiker Jim Fitzpatrick als Schwarz-Weiß-Rot-Motiv verfremdet. Die so entstandene Vorlage fand sich zunächst auf Postern und Fahnen und sei zum Logo der Studentenbewegung der 1968er geworden, als Symbol des Protests. „Was dann folgte, ist ein geradezu musterhaftes Anwendungsbeispiel der Diffusions- und Adoptionstheorie“, sagt Tscheulin. Nach dieser werden neue Ideen oder Produkte zunächst von einer Minderheit, den so genannten Innovatoren, aufgegriffen. Anschließend erfolge im Idealfall eine Übernahme des Kaufverhaltens durch so genannte Imitatoren. „Je mehr Personen ein bestimmtes Verhalten bereits übernommen haben, desto stärker wird der Übernahmedruck auf die, die das noch nicht getan haben, sofern man ‚dazugehören‘ möchte.“

Che Guevaras Konterfei finde sich heute millionenfach auf Kleidungsstücken und Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens. „Oft werden sie ohne Kenntnis der Hintergründe als chic empfunden und auch von Leuten gekauft, die mit Che Guevaras revolutionären Ideen wenig verbinden.“ Guevaras Portrait rangiere unter den Top Ten der meist verkauften T-Shirt-Motive. „Unbeantwortet bleibt die Frage, ob sich Che Guevara über den so gewonnenen Popularitätsgrad freuen würde – oder ob er unglücklich wäre, dass der Konsum-Hype um die Produkte mit seinem Bild nicht seinem Anspruch genügen: den ‚Neuen Menschen‘ weniger mit materiellen Anreizen als mit moralischen Ansprüchen, Selbstdisziplin und gegebenenfalls auch mit gewaltsamen Mitteln zu schaffen.“

Dieter Tscheulin ist Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören branchenspezifisches Marketing, Tourismusmarketing, Management im Gesundheitswesen, Marktforschung und Preismanagement.

 

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Prof. Dr. Dieter K. Tscheulin

Wirtschafts- und Verhaltenswissenschaftliche Fakultät
BWL II - Marketing und Gesundheitsmanagement
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