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Zellen bestrahlen statt kochen

Das Freiburger Start-up opto biolabs bringt mehr Tempo in die Optogenetik

Freiburg, 09.11.2018

Zellen bestrahlen statt kochen

Foto: Jürgen Gocke

Optogenetik hat die biologische und medizinische Zellforschung schon enorm vorangebracht. Mit dem preisgekrönten Belichtungsmodul von opto biolabs, einer Ausgründung der Universität Freiburg, lassen sich optogenetische Experimente tausendfach schneller auswerten. Dadurch könnte sich der Weg etwa zu neuen Therapien und Biokraftstoffen deutlich verkürzen.


Das Beleuchtungsmodul von opto biolabs ermöglicht es, in kürzerer Zeit viel mehr optogenetisch veränderte Zellen als früher nach viel mehr Kriterien zu charakterisieren. Foto: Jürgen Gocke

Zellen kontrolliert bestrahlen, statt sie tot zu kochen: Nicht allein damit beeindruckt das Beleuchtungsmodul pxONE die Fachwelt. Im September 2018 hat das Freiburger Start-up opto biolabs mit dem Gerät den CyberOne Hightech Award Baden-Württemberg in der Kategorie Life Science & Health Care gewonnen. „Optogenetik ist die Fernsteuerung von Zellen mit Licht“, beschreibt Dr. Kathrin Brenker, bei opto biolabs Leiterin der Bereiche Wissenschaft und Entwicklung, die in Biologie promoviert hat und einen Masterabschluss in Molekularer Medizin besitzt. Sie hat das Start-up erst im Frühjahr zusammen mit Dr. Dirk Riemann und Raphael Holubarsch auf den Weg gebracht. Die Lichtquelle von opto biolabs ermöglicht es, in kürzerer Zeit viel mehr optogenetisch veränderte Zellen als früher nach viel mehr Kriterien zu charakterisieren. Mit pxONE gewinnt die junge Optogenetik daher erneut an Dynamik – und damit die biologische und medizinische Zellforschung.

Lichtschalter an Proteinen

Optogenetikerinnen und Optogenetiker hängen, um es einfach auszudrücken, zunächst lichtempfindliche Schalter an Proteine. Diese können sie anschließend durch Licht steuern. Handelt es sich beispielsweise um einen Ionenkanal, lässt er sich nun nach Belieben öffnen und schließen. Mit Lichtschaltern an bestimmten Ionenkanälen, die in der Außenhülle von Nervenzellen liegen, können Forscherinnen und Forscher Neuronen gezielt aktivieren. Licht ein – die Nervenzelle wird aktiv und „feuert“, gibt also elektrische Impulse ab. Licht aus – und sie hört damit auf. So lassen sich Funktionen von Neuronen und Abläufe in ihren Netzwerken genau studieren. „Mittlerweile ist es auch möglich, Proteine aus dem Innern von Zellen mit Licht zu regulieren“, sagt Brenker. Auf diesem Weg können Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Funktion einzelner Zellproteine sowie deren Bedeutung beispielsweise in intrazellulären Signalwegen untersuchen.

Wegen dieser Vorzüge hat sich die Optogenetik zu einem wichtigen Werkzeug in der biologischen und medizinischen Forschung entwickelt. Allerdings hinkt die Technik zur Belichtung optogenetischer Zellen hinterher. „Meistens arbeiten Forscher noch mit Taschenlampen-ähnlichen Lichtquellen“, sagt Brenker. Damit lassen sich Zellen nicht gleichmäßig beleuchten. Auch Lichtintensitäten und Belichtungsdauern sind nur grob zu standardisieren. Noch schwerer wiegt, dass bei der Bestrahlung Wärme entsteht. „Viele kochen ihre Zellen versehentlich“, sagt Brenker leicht überspitzt. Sie kennt das aus eigener Erfahrung, hat selbst mit optogenetischen Verfahren gearbeitet. Alle diese Missstände stellt pxONE ab: Das Modul hält Zellen konstant auf der gewünschten Temperatur, wahrend es sie bestrahlt. Zeiten, Intensitäten des Lichts und seine Wellenlänge lassen sich präzise einstellen. Die Protokolle werden gespeichert und sind jederzeit identisch wiederholbar.


Raphael Holubarsch, Dirk Riemann und Kathrin Brenker (von links) haben das Start-up opto biolabs im Frühjahr 2018 gemeinsam auf den Weg gebracht. Foto: Jürgen Gocke

Innovation, die aus fruchtbarem Unmut entstand

Der größte Knüller für Optogenetiker liegt aber wohl im Gewinn an Effizienz: pxONE ermöglicht es indirekt, optogenetisch veränderte Zellen tausendfach schneller zu charakterisieren. Dazu müssen Wissenschaftler diese Zellen erkennbar und von anderen unterscheidbar machen. „Sie färben optogenetische Zellen mit einem Fluoreszenzfarbstoff“, sagt Brenker. Die so markierten Zellen leuchten nach einem kurzen Laserblitz auf – sie fluoreszieren. Die Auswertung der Zellkulturen erfolgt mehr oder minder per Hand am Fluoreszenzmikroskop oder automatisch per Durchflusszytometrie. In entsprechenden Geräten fließen Zellen einzeln am Laserstrahl vorbei. Bei jeder misst ein Detektor, ob sie Licht abgibt. Wenn ja, liefert dieses weitere Information wie etwa über die Zellgröße, Partikel im Zellplasma und die Größe des Zellkerns. Solche und andere Eigenschaften spuckt das Gerät auch noch in bildlichen Darstellungen, den Graphen, aus. Brenker kennt beide Verfahren: „Mit dem Fluoreszenzmikroskop kann ich ungefähr 50 Zellen pro Minute beurteilen, mit Durchflusszytometrie 20.000 pro Sekunde.“

Der optogenetischen Durchflusszytometrie stellte sich bisher aber ein Hindernis in den Weg: Durchflussapparate haben keine Lichtquellen für optogenetische Experimente. Davon kann Brenker ein leidiges Forscherlied singen: „Ich musste viel mit dem Fluoreszenzmikroskop arbeiten – im Dunkelraum bei 18 Grad, während draußen in der Wärme die Sonne schien.“ Sie wollte raus, zurück ins Helle, zurück zur Durchflusszytometrie. Ihr Unmut erwies sich als fruchtbar: Sie entwarf ein Belichtungsmodul, das sich mit Durchflussgeräten verbinden lässt. Mit dem Konzept für den Vorläufer von pxONE wandte sich Brenker an die Arbeitsgruppe Technik vom Institut für Biologie III, erzählt sie: „Der erste Prototyp ist dann in einem gemeinsamen Prozess entstanden.“ Inzwischen stellt opto biolabs das Belichtungsmodul samt seinem Controller professionell mit einem 3-D-Drucker her. Noch 2018 soll pxONE seine CE-Zulassung bekommen. Dabei unterstützt die Umkircher Ernst Knoll Feinmechanik GmbH das Team von opto biolabs.

Klettern führte das Team zusammen

Zusammen fand das Trio beim Sport. „Wir haben uns beim Bouldern kennengelernt“, sagt Brenker. Ihren EXIST-Förderantrag, den sie mit dem Gründerbüro der Universität Freiburg geschrieben hatte, war durchgegangen. Sie suchte Verstärkung. Als Brenker wieder einmal zum Bouldern, zum Klettern ohne Seil und Gurt, in der Halle war, musste sie ihre Freude lautstark teilen: Gerade war die Bewilligung eines wichtigen Patents für pxONE eingetrudelt. Riemann und Holubarsch bekamen das mit und zeigten Interesse. Heute leitet Riemann, der Klimatologe, Physiker und Geograph, die Bereiche Technologie und Produktion. Holubarsch, der einen Masterabschluss in Management hat, ist Leiter für Finanzen und Operations. „Wir sind aber noch gar nicht gegründet“, stellt Brenker klar: Das Team hat sich beim Förderprogramm Junge Innovatoren für eine Anschlussfinanzierung beworben. Als waschechtes Unternehmen geht das nicht mehr.

„Als Zeitpunkt für den Markteintritt streben wir Anfang 2019 an“, sagt Brenker, „Aber dafür müssen wir jetzt noch richtig Gas geben.“ Derzeit verleiht das Trio die pxONE-Prototypen ausschließlich für Kooperationen. „Zwei Pilotkunden arbeiten schon damit“, sagt Brenker – je ein Forschungsinstitut in Freiburg und Berlin. Die Anregungen und Erfahrungen der dortigen Anwenderinnen und Anwender möchte opto biolabs in den nächsten Prototypen einfließen lassen. Danach heißt es, einen Partner für die Produktion in Serie zu finden – und dann, den Markt zu erobern. Damit verbindet Brenker gleich mehrere Hoffnungen: pxONE soll dazu beitragen, dass rasch neue Therapien für Erkrankungen entstehen sowie Organismen, die etwa neue Biokraftstoffe erzeugen oder Abfälle zersetzen. In naher Zukunft sollen Forscher, die mit Optogenetik anfangen wollen, zudem zuerst bei opto biolobas nach dem richtigen Herangehen schauen, wünscht sich Kathrin Brenker: „Ich fände es toll, wenn wir zum Inbegriff für Belichtungsgeräte in der optogenetischen Forschung würden.“

Jürgen Schickinger