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Mit Erfolg zum Doktorgrad

Der jüngst erschienene „Kompass zur Guten Betreuung von Promovierenden“ gibt Hinweise, wie diese gelingen kann

Freiburg, 25.06.2020

Mit Erfolg zum Doktorgrad

Foto: Minkus Teske

Laut einer bundesweiten Studie zeigen sich 37 Prozent der befragten Promovierenden nur mittelzufrieden bis unzufrieden mit ihrer Doktormutter oder ihrem Doktorvater. Dabei spielt die Qualität der Betreuung auf dem Weg zur Dissertation eine große Rolle und kann über Erfolg oder Abbruch der Promotion entscheiden. Die Universität Freiburg will das Verhältnis der beiden Parteien stärken und mehr Sachlichkeit, Transparenz und Verbindlichkeit herstellen. Dafür sollen unter anderem neue Leitlinien sorgen.

Mehr Orientierung und Verlässlichkeit: Die neu veröffentlichten Leitlinien enthalten unter anderem eine Checkliste für gute Betreuung. Foto: Minkus Teske

Promovierende sind die unbekanntesten Mitglieder einer Universität – zumindest statistisch betrachtet. Sicher: Alle, die eine wissenschaftliche Karriere einschlagen, brauchen eine Promotion. Und abgesehen von Doktorandinnen und Doktoranden, die hauptberuflich an der Universität arbeiten, müssen sich alle anderen Promovierende immatrikulieren. Doch über Abbrüche gibt es weniger verlässliche Zahlen. Es kann viele Ursachen haben, wenn eine Dissertation nicht abgeschlossen wird. Da fallen finanzielle Gründe ins Gewicht, und vielleicht ist ein Angebot aus der Wirtschaft attraktiver. Doch manchmal kann es auch an der Betreuung liegen. Grund genug für das Deutsche Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung, nach der Zufriedenheit von Promovierenden zu fragen. 20.000 gaben bei einer Umfrage der National Academics Panel Study im Frühjahr 2019 Auskunft. Nach der Zufriedenheit mit der Betreuerin oder dem Betreuer gefragt, äußerten sich 63 Prozent positiv, 37 Prozent hingegen waren mittelzufrieden bis unzufrieden.

An der Universität Freiburg weiß man, dass diese Zahlen kein Anlass sind, sich zurückzulehnen. Seit einigen Jahren bereits fokussiert sich die Internationale Graduiertenakademie (IGA) unter der Leitung von Dr. Silke Knaut auf die gute Betreuung auf dem Weg zum Doktorgrad. Jetzt wurde der „Kompass zur Guten Betreuung von Promovierenden“ veröffentlicht, der Leitlinien zu diesem Thema enthält. Neben den Fakultäten, der Dekanerunde und dem Rektorat waren daran die Ombudspersonen für Promovierende und Betreuende sowie der Gemeinsame Arbeitsausschuss der Doktorandinnen- und Doktorandenkonvente und das Netzwerk der Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler beteiligt. Dieser intensive Austausch war wichtig, um eine möglichst große Akzeptanz der Empfehlungen zu erreichen, ist sich Minkus Teske von der IGA sicher.

Mehr Kommunikation und Transparenz

Doch welche Richtung schlagen die Empfehlungen ein? Zum einen fassen sie die Rahmenbedingungen zusammen, in die das Betreuungsverhältnis eingebunden ist, wie die bindende Annahme als Promovierende an der Fakultät. Zum anderen zielen sie auf eine verbesserte Kommunikation, mehr Transparenz und eine Stärkung von Verantwortlichkeiten zwischen allen Beteiligten. „Vielen ist gar nicht bewusst, welche Rechte und Pflichten sie haben“, hat Teske beobachtet.

Die Empfehlungen, die für alle Fakultäten außer der Medizin erarbeitet wurden, sehen vor, Erwartungen zu klären und die jeweilige private und finanzielle Situation mit den Betreuenden zu besprechen. In vom Landeshochschulgesetz vorgesehenen Promotionsvereinbarungen soll dies festgehalten werden und in mindestens jährlich stattfindenden Gesprächen überprüft werden. Doch die Leitlinien dokumentieren auch die Tendenz, die Verantwortung im Betreuungsverhältnis auf mehrere Schultern zu verteilen.

Die Initiative für diese Richtlinien kam 2017 auch von den Ombudspersonen für Promovierende und Betreuende. Hans Spada, emeritierter Professor der Psychologie, ist seit fünf Jahren Ombudsperson. „Für unsere Arbeit ist es hilfreich, wenn wir auf diese Leitlinien verweisen können“, sagt Spada. Dass Ombudspersonen emeritiert sind, ist gewollt. Als Psychologieprofessor hat er selbst viele Doktorandinnen und Doktoranden betreut. Er kennt die Strukturen, kann so aber Unabhängigkeit gewährleisten.

An der Universität Freiburg ist das Zentrale Ombudsverfahren zweistufig. Bevor Spada und seine Kollegin Prof. Dr. Irmgard Merfort oder ihre Stellvertreter ins Spiel kommen, melden sich Ratsuchende in der Regel bei der Geschäftsstelle des Zentralen Ombudsverfahrens, die mit einer Mitarbeiterin und einem Mitarbeiter der IGA besetzt ist. Beide haben eine Mediationsausbildung absolviert und langjährige Erfahrung in Konfliktberatung. Sollte es dann notwendig sein, werden die Ombudspersonen eingeschaltet. Der Kontakt zur Geschäftsstelle ist engmaschig. Viermal im Jahr trifft man sich, um Fälle anonymisiert zu besprechen und Lösungen für solche Probleme zu finden, die über den Einzelfall hinausgehen. Über generelle Fragen wird auch im Senat berichtet. „Schwierigkeiten kann es in jeder Phase der Promotion geben“, sagt Spada. Oft mangele es an einer offenen Kommunikation, oder Promovierende fühlten sich nicht wertgeschätzt und als Lieferantinnen und Lieferanten von Daten missbraucht.

Unterschiedliche Pfade, verbindliche Leitlinien

Eva Rüskamp, Sprecherin der Statusgruppe der Doktorandinnen und Doktoranden im Senat, sieht den Kompass als einen wichtigen ersten Schritt für eine veränderte Promotionskultur. Sie selbst schreibt ihre Dissertation am Englischen Seminar und ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt EPICUR. An anderen Universitäten, gibt Rüskamp zu bedenken, seien entsprechende Leitlinien guter Betreuung verpflichtend. Die Wege zur Promotion sind vielfältig, und die Verläufe können sich unterschiedlich entwickeln. Rüskamp kennt solche Geschichten aus eigener Erfahrung und aus der Gremienarbeit, dank der sich ihr viele Promovierende anvertrauen.

Nicht nur unterscheiden sich die Bedingungen der Promotion von Fakultät zu Fakultät, auch die Finanzierungsmodelle sind unterschiedlich. Manche Promovierenden arbeiten auf einer Projektstelle, andere in der Fakultät und wieder andere in Bereichen abseits der Universität. Manche haben bereits Familie, andere einen Beruf und forschen in ihrer Freizeit und am Wochenende. Allen jedoch würde Rüskamp raten, sich nur dann auf eine derart umfangreiche wissenschaftliche Arbeit einzulassen, wenn sie den Titel auch wirklich wollen. Vor allem Frauen stellten ihr Licht noch zu sehr unter den Scheffel: „Ich habe wenige Nachwuchswissenschaftlerinnen getroffen, die die Promotion als ersten Schritt zur Professur oder als wichtigen Schritt in Führungspositionen sehen.“

Dass der „Kompass zur Guten Betreuung von Promovierenden“ die Vielfalt eindämmen könnte, fürchtet Eva Rüskamp nicht. Vielmehr begrüßt sie, dass mit ihm mehr Sachlichkeit und Klarheit in das Verhältnis zwischen Promovierenden und ihren Betreuenden einziehen könne. „Spannungsfelder offenzulegen und zu klären, ist sehr wichtig“, sagt sie. Zu oft sei es nämlich noch Glückssache, ob eine Promotion gelinge. Das kann zu viel überflüssigem Frust sowie fachlich und inhaltlich unbegründeten Abbrüchen führen. „Es ist ein starkes hochschulpolitisches Signal, dass sich die Uni Freiburg diese Leitlinien selbst gegeben hat“, unterstreicht Minkus Teske. „Damit zeigt sie, dass Nachwuchsförderung eine ihrer Kernaufgaben ist.“

Annette Hoffmann

 

Kompass zur Guten Betreuung von Promovierenden