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Ausgezeichnetes Messen im Nanobereich

Gemeinsame Forschungsgruppe des Instituts für Mikrosystemtechnik der Universität Freiburg und der Humboldt-Universität zu Berlin bekommt Helmholtz-Preis

Freiburg, 23.04.2020

Ausgezeichnetes Messen im Nanobereich

Foto: Jürgen Gocke

Das Freiburger Forschungsteam um Prof. Dr. Peter Woias vom Institut für Mikrosystemtechnik (IMTEK) erhält gemeinsam mit einem Team um die Physikerin Prof. Dr. Saskia F. Fischer von der Berliner Humboldt-Universität den Helmholtz-Preis. Dieser gilt als eine der international bedeutendsten Auszeichnungen auf dem Gebiet der Metrologie, der Wissenschaft vom exakten Messen. Der Gruppe ist es gelungen, die wissenschaftlich-technischen Voraussetzungen für standardisierbare Präzisionsmessungen thermoelektrischer Eigenschaften einzelner Nanostrukturen zu schaffen. Der Helmholtz-Fonds hat diese Errungenschaft mit dem mit 20.000 Euro dotierten Preis in der Kategorie „Anwendungen“ gewürdigt.

Peter Woias forscht im Nanobereich – und hat dabei immer konkrete Anwendungen im Blick. Foto: Jürgen Gocke

„Das ist ein großer Preis“, sagt Peter Woias. „Ich bin sehr stolz darauf, vor allem auch für die jungen Forscherinnen und Forscher aus meinem Team – Dr. Zhi Wang, Dr. Johannes Ruhhammer und Dr. Michael Kröner – und aus dem Berliner Team – Maximilian Kockert, Dr. Danny Kojda, Dr. Rüdiger Mitdank und Dr. Anna Mogilatenko. Mit dem Helmholtz-Preis wird die Leistung einer Gruppe gewürdigt, und deren tragende Kräfte sind die Promovierenden und die Postdocs.“ Diese Leistung habe auch nur vollbracht werden können, weil zwei Teams mit unterschiedlicher Ausrichtung zusammengearbeitet haben – das Freiburger von der Seite der Mikrotechnik und des Mikroapparatebaus und das Berliner mit den messtechnischen Aufbauten und dem physikalischen Background. „Ohne das hätte das so nicht geklappt.“

Die messtechnische Studie hat ihren Hintergrund in einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Schwerpunktprogramm zu nanostrukturierten Thermoelektrika. Das Phänomen der Thermoelektrizität kennen viele vom Campen. Für ein kühles Getränk schließt man einen so genannten Peltier-Kühlschrank an die Autobatterie an. Der Strom macht, ganz simpel gesagt, die eine Seite der Peltierelemente heiß und die andere, auf der das Getränk lagert, schön kalt. „Wir untersuchen es andersherum“, sagt Woias. „Man kann nämlich auch eine Seite heiß und die andere kalt halten, dann entsteht im Thermoelement elektrische Energie. Wir gewinnen also aus Wärmeunterschieden oder Wärmefluss Strom.“ Ist das der Fall, redet man von thermoelektrischen Generatoren. Seit langem vermutet man, dass eine bessere Effizienz bei der Umwandlung erzielt werden kann, wenn man die Materialien für diese thermoelektrischen Generatoren in Nano-Strukturgröße herstellt, also zum Beispiel ein Nanopulver, das zu einem größeren Körper verpresst wird.

Kleinere Abmessungen, bessere Eigenschaften

„Die Theorie besagt: Wenn ich die Abmessungen eines thermoelektrischen Materials sehr viel kleiner mache, dann werden die thermoelektrischen Eigenschaften besser“, erklärt Woias. „Unser Job war nun, eine Messplattform zu bauen, die es erlaubt, unser Untersuchungsobjekt, einen einzelnen thermoelektrischen Nanodraht, elektrisch und wärmemäßig zu kontaktieren.“ So ein Draht hat etwa 100 bis 200 Nanometer im Durchmesser und ist bisweilen nur 20 Mikrometer lang – ein Viertel vom Durchmesser eines menschlichen Haars. Für diese Dimensionen gibt es keine einfachen elektrischen Anschlussklemmen. Dafür dient eine spezielle Messplattform, ein Siliziumchip, der in Freiburg im Rahmen von mittlerweile zwei Doktorarbeiten entwickelt und mehrfach verbessert wurde.

Woias kann einen guten Eindruck davon vermitteln, wie kompliziert Arbeiten im Nanobereich sind. Das fängt schon bei der Herstellung der Nanodrähte an, die chemisch synthetisiert werden: „Am Ende hat man eine schwarze Wolke in einem Glas mit Ethanol, die herunterverdünnt werden muss, sodass nicht zu viele Drähte darin schwimmen. Als nächstes muss aus dieser Lösung ein einzelner Nanodraht gezielt auf dem Siliziumchip platziert werden, wofür wir uns diverse Verfahren haben einfallen lassen. Schließlich mussten wir ihn noch elektrisch und thermisch an den Siliziumchip anschließen. Auch dafür haben wir ein geeignetes Verfahren entwickelt.“ Da steckt viel Teufel im Detail.

Strom aus Abwärme

Lohnt sich so viel Aufwand überhaupt? Die Antwort darauf war das Ziel der Grundlagenforschung und der Technologieentwicklung für die Messplattform. „Schon die Messung einer einzigen Eigenschaft an einer Nanostruktur ist eine Herausforderung. Wir haben den Helmholtz-Preis dafür bekommen, dass unser Messchip nicht nur eine, sondern mehrere Größen an ein und demselben Nanodraht präzise bestimmen kann. Und die Messergebnisse unserer Berliner Kolleginnen und Kollegen waren belegbar gut“, sagt Woias. Je besser die thermoelektrischen Eigenschaften von Materialien, desto kleiner und effizienter werden zukünftige Thermogeneratoren aus diesen Materialien. Damit werden kleine energieautarke Sensorsysteme möglich, die nicht nur im „Internet der Dinge“ relevant sind, sondern fast überall, wo Daten erhoben werden sollen. Man stelle sich vor, dass aus Abwärme versorgte Funksensoren einfach auf eine warme Oberfläche geklebt werden und anfangen zu arbeiten. Es müssen keine Stromkabel verlegt werden, und teure Batteriewechsel werden unnötig.

Die von Woias Gruppe entwickelten Messplattformen für Nanodrähte ermöglichen aber auch neue Erkenntnisse über die Struktureffekte im Nanobereich. Auf Nanoebene wird die Funktion von der Form definiert. Die Struktur entscheidet etwa, wie elastisch die Drähte sind. „In einem anderen Projekt spreiten wir Silbernanodrähte auf einer Oberfläche zu einem Netz. Das ist optisch durchsichtig, weil die Drähte so dünn sind, aber elektrisch leitfähig. Optimal für jeden Touchscreen“, sagt Woias. Ist die Oberfläche dann noch elastisch, sind jede Menge Mensch-Maschine-Interfaces denkbar, etwa smarte Handschuhe, die Fingerbewegungen nachmessen. „Wir bauen damit aktuell eine verstellbare Linse.“

Kreatives Querdenken

Bei aller Grundlagenforschung ist es Woias immer wichtig, konkrete Anwendungen im Blick zu haben. Ein wesentliches Element dafür ist für ihn die fächerübergreifende Zusammenarbeit: „Wir denken und arbeiten sehr gerne interdisziplinär, und die meisten Projekte, die wir an der Professur durchführen, beruhen auf Kooperationen mit Chemikern, Biologen, Philosophen, Psychologen, Ingenieuren oder Physikern. Das ist zum einen sehr spannend, zum anderen befördert das buchstäbliche Querdenken über Disziplinen hinweg die Kreativität aller Beteiligten – und plötzlich entstehen neue Ideen und Anwendungen.“

Jürgen Reuß