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Die Falten des Gifts

Der Keim Clostridium difficile ist bei vielen Darmerkrankungen der Übeltäter – nun haben Forscher herausgefunden, wie seine Toxine in die Zellen eindringen

Freiburg, 27.09.2018

Die Falten des Gifts

Foto: Kateryna Kon/Fotolia

Das Bakterium Clostridium difficile kann verheerend sein, wenn seine Gifte die Schrankenfunktion der Darmschleimhaut zerstören. Eine Forschergruppe um den Freiburger Pharmakologen Prof. Dr. Dr. Klaus Aktories hat jetzt herausgefunden, wie genau die Toxine in Zellen eindringen und dort ihre Wirkung entfalten.


Der Keim Clostridium difficile verbreitet sich mittels Sporen. In Krankenhäusern sind etwa 20 Prozent der Patienten von ihm befallen. Foto: Kateryna Kon/Fotolia

Durchfall? Ja, das ist unangenehm, aber zum Glück harmlos. Nicht in jedem Fall, schränkt Klaus Aktories ein. Der Forscher vom Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie gibt das Beispiel eines älteren Patienten, der mit einer schweren Lungenentzündung ins Krankenhaus eingeliefert wird – und Antibiotika nehmen muss. „Die Antibiotika jedoch wirken auf das Mikrobiom des Darms, das man umgangssprachlich Darmflora nennt“, erläutert der Pharmakologe. „Sie zerstören dabei Bakterien – und die fehlen dann, um ein anderes Bakterium in Schach zu halten.“

Clostridium difficile heißt dieser Keim, der sich mittels Sporen verbreiten kann. In Krankenhäusern sind etwa 20 Prozent der Patientinnen und Patienten von ihm befallen. Er ist es, der dann den Durchfall verursacht, der in manchen Fällen sogar zu einer besonderen Form einer schweren Darmentzündung führt. „Es gibt viel, was man dagegen machen kann“, betont Aktories. In anderen Fällen allerdings drohen Komplikationen, oft mit fatalen Folgen: Bis zu 30.000 Todesfälle pro Jahr verzeichnen allein die USA durch Clostridium difficile.

Aggressive Varianten

„Das Problem nimmt zu, denn in den vergangenen 20 Jahren haben sich besonders aggressive Varianten des Keims stärker verbreitet“, erklärt der Pharmakologe. Er verweist auf einen Artikel aus der Fachzeitschrift „Ärzteblatt“ vom Januar 2018. Dessen Autor zitiert eine von US-Studien gestützte These, dass die vermehrte Verwendung von dem industriell hergestellten Zuckerausstoff Trehalose die Ausbreitung der aggressiven Clostridium-difficile-Keime befördern könnte. Für die verheerende Wirkung von Clostridium difficile sind seine Toxine A und B verantwortlich. „Sie werden nicht immer aktiv, warum wissen wir noch nicht“, sagt Aktories. Fest aber steht: „Ohne die Toxine gibt es auch keine Erkrankung. Das weiß man schon lange.“

Seit Langem ist auch bekannt, was die Toxine bewirken: „Den molekularen Mechanismus dieser Giftstoffe haben wir bereits in den 1990er Jahren aufgeklärt. Sie dringen in die Zellen ein, übertragen dort Zucker auf ein so genanntes Schalterprotein, das daraufhin inaktiv wird.“ Ein Verlust der Schrankenfunktion der Schleimhaut des Darms ist die Folge. Wie genau die Toxine in Zellen eindringen und dort ihre Wirkung entfalten, wurde jetzt ebenfalls aufgedeckt: Durch die Forschung der Gruppe um Aktories und seinen Würzburger Kollegen Prof. Dr. Andreas Schlosser.


Fallbeispiel: Wird ein älterer Patient mit einer schweren Lungenentzündung ins Krankenhaus eingeliefert, verabreicht ihm der Arzt ein Antibiotikum – das zerstört aber die Darmflora und sorgt dafür, dass Clostridium difficile sich einnisten kann. Foto: Gorodenkoff/Fotolia

Die Aufnahme der Toxine hängt von einem Komplex von Proteinen ab, der auf den Namen TRiC/CCT hört. TRiC/CCT ist ein so genanntes Chaperonin, das für andere Proteine – auch die Schalterproteine – eine dienende Funktion hat. Es hilft ihnen bei der korrekten „Faltung“, wie das in der Fachsprache heißt – und gewährleistet dadurch deren Funktion. „TRiC/CCT reagiert mit den Toxinen von Clostridium difficile“, erläutert Aktories. Es kommt bei der Zellaufnahme zu einer Interaktion zwischen Toxin und Chaperonin, die notwendig ist, damit das Toxin seine richtige Gestalt bekommt und aktiv sein kann.

Bahn frei für die nächsten Schritte

Die Forschungsergebnisse bedeuten nicht automatisch, dass man einen Weg gefunden hätte, das Gift von Clostridium difficile auszuschalten. Zwar hört die Toxinwirkung auf, wenn man das beteiligte Chaperonin blockiert. „Doch zumindest in der Therapie geht das im Moment noch nicht, dazu ist die Funktion von TRiC/CCT zu vielschichtig und für die Zelle lebensnotwendig“, präzisiert Aktories. Doch die Erkenntnisse ermöglichen die nächsten Schritte: „Wir wissen jetzt viel mehr über die Zellaufnahme der Toxinproteine – wie das Protein die Toxine aufnimmt und wie sie gefaltet sind.“

Anderthalb Jahre intensive Arbeit liegen diesen Erkenntnissen zugrunde. Macht man dann eine Flasche Schampus auf, wenn einem ein solcher Durchbruch gelingt? „Eigentlich erst, wenn der Bericht darüber zur Veröffentlichung akzeptiert wird“, antwortet Aktories lächelnd. Das ist bereits geschehen. Die renommierte US-amerikanische Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) hat das Papier der Gruppe jüngst veröffentlicht. Aktories freut dabei besonders, „dass wir das jetzt noch gemeinsam zum Abschluss bringen konnten“. Ende September 2018 geht der Freiburger Pharmakologe in den Ruhestand.

Mathias Heybrock 

 

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