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Mit dem Handy durch die Ewige Stadt

Angehende Lehrer entwickeln Stadtführungen zur Geschichte Roms: eine App als doppeltes didaktisches Werkzeug

Freiburg, 16.07.2018

Mit dem Handy durch die Ewige Stadt

Foto: kasto/Fotolia

Wissen digital vermitteln und dadurch selbst besser verstehen – das war die Idee der beiden Historiker Julian Zimmermann vom Historischen Seminar der Universität Freiburg und Julian Happes vom Institut für Politik und Geschichtswissenschaft an der Pädagogischen Hochschule (PH) Freiburg. Im Sommersemester 2018 gaben sie eine Lehrveranstaltung, in der Studierende Führungen mit einer App durch die Stadt Rom/Italien entwickelten.

Wissenschaftlich valide, aber zugänglich für Schüler: Die Touren führen die Besucher an historisch wichtige Stationen der Stadt Rom.
Foto: kasto/Fotolia

Mit dem Seminar wollten Happes und Zimmermann neue Konzepte der Hochschullehre erproben und die Kompetenzen von PH und Universität zusammenbringen. „Die digitale Welt ist noch nicht im Lehramtsstudium angekommen“, findet Zimmermann: „Wir hatten daher die Idee, eine App als didaktisches Instrument zu nutzen.“ Der Freiburger Verein Future History bot mit einer Stadtführungs-App die technische Voraussetzung. „Es war uns wichtig, etwas Nachhaltiges mit Mehrwert zu schaffen – und gerade für die Lehramtsstudierenden ist der Umgang mit digitalen Medien eine wichtige Kompetenz“, ergänzt Happes. Die fertige App soll an Schulen genutzt werden, um auf Exkursionen die Erfahrung vor Ort zu unterstützen. „Wir wollten Touren entwickeln, die wissenschaftlich valide, gleichzeitig aber zugänglich für Schülerinnen und Schüler sind“, erläutert er.

Mit der Kooperation verfolgten die beiden Dozenten ein fachwissenschaftliches und gleichzeitig ein fachdidaktisches Ziel. „Die Studierenden der PH zum Beispiel haben die Texte zu den Bildern didaktisch professionell formuliert, sodass auch Schulklassen die Informationen nutzen können“, sagt Zimmermann. Die Studierenden schätzten die heterogene Gruppe, in die jeder sein Fachwissen und seine Ideen einbringen konnte. „In unseren Diskussionen sind die wirklich guten Sachen entstanden“, erzählt Nadja Bergis, die an der PH Geschichte auf Lehramt studiert.

Häuser, Straßen und Hügel

Das Thema des Seminars waren Transformationsprozesse – von der Antike über das Mittelalter bis zum Faschismus des 20. Jahrhunderts – am Beispiel der Stadt Rom. Die Studierenden beschäftigten sich in Kleingruppen gemeinsam mit einem Thema der Stadtentwicklung und entwarfen eine Route, die an wichtigen Stationen vorbeiführt. Dabei füllten sie die App nach und nach mit Inhalten. „Ich habe mir das Wissen selbst erarbeitet, um ein Produkt zu entwickeln. Mit so einem Ziel verinnerliche ich die Inhalte viel besser“, berichtet Bergis.

1937 und 2004: Die App veranschaulicht, wie sich der Stadtbezirk Borgo, der sich von der Engelsburg zum Vatikan erstreckt, verändert hat.
Foto: Julian Zimmermann

Die Stationen sind Häuser, Straßen oder auch Stellen, an denen früher einmal ein Bauwerk gestanden hat. Manche Bilder lassen sich hin- und herschieben und ermöglichen einen Direktvergleich zwischen dem heutigen Erscheinungsbild eines Ortes und beispielsweise einer antiken Rekonstruktionszeichnung. Eine andere Funktion der App legt mithilfe der Augmented-Reality-Technologie die Fotografie eines älteren Gebäudes über das reale Bild, das die Kamera anzeigt. Außerdem verwendeten die Studierenden topografische Pläne und andere nützliche Materialien, die einen Mehrwert lieferten. Bei der von Bergis’ Gruppe ausgearbeiteten Tour beispielsweise, die von Süden nach Norden über den Kapitolshügel führt, ist zu Beginn eine Karte eingebunden: „Beim Kapitol ist wesentlich, wie dieser Hügel in ganz Rom wahrgenommen wird. Diese Bedeutung kann man in der großen Stadt gar nicht erfassen, wenn man oben steht – da ist die Karte hilfreicher als ein Foto.“

In der Pfingstpause ging es dann nach Rom. Eine Woche lang liefen die Kleingruppen gemeinsam die verschiedenen Stadtführungsrouten ab. „Wenn man nachmittags 500 Meter durch die Haupteinkaufszone läuft, kann das ganz schön dauern. Es war daher wichtig, das direkt vor Ort zu testen“, berichtet Happes. Während der Exkursion lernten die Studierenden die Touren der anderen Gruppen kennen. Sie konnten eigene Bilder machen und die Standpunkte in der App justieren. Nach der Exkursion hatten sie Zeit, ihre neuen Ideen und Materialien einzuarbeiten.

Lernen unter freiem Himmel: Die Gruppe bespricht das weitere Vorgehen.
Foto: Sarah Brix

Aus der Perspektive der Nutzer

„Ich habe vorher unterschätzt, wie viel die App didaktisch bietet“, berichtet Nicolas Fiedel. Auch er studiert Geschichte auf Lehramt, aber an der Universität. „Sie hat zwei Seiten: Einmal kann man sie in der Stadt nutzen. Zum anderen kann man selbst eine Tour erstellen – dafür muss man sich aber zunächst mit didaktischen Überlegungen der Perspektive einer Nutzerin oder eines Nutzers annähern.“ Die Studierenden beschäftigten sich mit der Frage, wie man Inhalte so aufbereitet, dass sie für andere verständlich sind. Welche Bilder oder Funktionen sprechen Schüler an? Wie formuliert man Texte anregend?

„Im Spätmittelalter war das Tiberknie fest in der Hand städtischer Adelsfamilien, die dort um Einfluss konkurrierten. Das war unser Thema. Wir haben versucht, es didaktisch zu reduzieren, und uns auf eine einzelne Adelsfamilie beschränkt, die dieses ganze Gebiet lange kontrolliert hat“, erläutert Fiedel. Seine Stadttour steuert zentrale antike Monumente an, rückt aber deren mittelalterliche Geschichte ins Zentrum. Ein Bild präsentiert die antiken Strukturen – zugemauerte Säulen und Bögen – in einem zur Festung umgebauten Theater. „Wir möchten den Schülern zeigen, wo Geschichte etwas bewegt hat und dass sie das an diesem Ort erfahren können“, fasst Bergis zusammen. „Wenn man so an einer App arbeitet, lernt man selbst sehr viel.“

Sarah Schwarzkopf

 

Digitale Touren durch Rom