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22 Sekunden in der Schwerelosigkeit

Freiburger Kristallographin nimmt an einer Parabelflugkampagne teil, um unter Mikrogravitation zu forschen

Freiburg, 15.09.2017

22 Sekunden in der Schwerelosigkeit

Foto: Manfred Kranz-Probst

Schwerelosigkeit erleben, ohne dafür ins Weltall zu müssen? Auf diesen Geschmack ist die Freiburger Kristallographin Dr. Tina Sorgenfrei mit ihrem Team gekommen: Sie hat vom 11. bis zum 15. September 2017 an der 30. Parabelflugkampagne des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) teilgenommen. Gemeinsam mit zehn anderen Experimenten wurden auch die Tests der Forscherin vom Institut für Geo- und Umweltnaturwissenschaften der Universität Freiburg in der Schwerelosigkeit durchgeführt.

Tina Sorgenfrei (Dritte von rechts) und ihr Team mit ihrem Experiment an Bord des Flugzeugs.
Foto: Manfred Kranz-Probst


Die Forschung unter annähernder Schwerelosigkeit, so genannter Mikrogravitation, ist seit mehr als 30 Jahren eine der Kernkompetenzen der Kristallographie der Universität Freiburg. Tina Sorgenfrei nahm im französischen Bordeaux an einer Parabelflugkampagne teil und nutzte die dort erzeugte Schwerelosigkeit für ihre Forschung. Ein Parabelflug ist ein spezielles Flugmanöver, bei dem das Flugzeug eine zur Erdoberfläche geöffnete Parabel nachfliegt. Während des Manövers wird eine kurze Phase der Schwerelosigkeit beziehungsweise verminderter Schwerkraft erzeugt. Auf vier Flugtage verteilt wurden während der Kampagne 124 Parabeln geflogen, pro Parabel blieben Tina Sorgenfrei 22 Sekunden Mikrogravitation – ihr standen also rund 45 Minuten für das Experiment zur Verfügung.

In vielen Gebieten der modernen Technologie werden heutzutage Kristalle hoher Qualität eingesetzt: Solarzellen, LEDs oder Mikrochips – alles benötigt kristalline Materialien wie zum Beispiel Silicium, Germanium oder Zinnsulfid. Die Kristalle sollten möglichst gleichmäßig in ihrer Zusammensetzung sein, was jedoch oft schwierig ist. Das hierbei am häufigsten eingesetzte Verfahren ist die so genannte Schmelzkristallzüchtung. Dabei müssen die zu züchtenden Materialien zunächst geschmolzen und anschließend kontrolliert erstarrt werden. In der Schmelze entstehen – durch die Schwerkraft sowie andere Kräfte – Strömungen, die zu Ungleichmäßigkeiten in der Kristallzusammensetzung und zu Qualitätsverlust führen können. Um nun die Schmelzbewegungen dahingehend manipulieren zu können, dass Kristalle bestmöglicher Qualität entstehen, müssen die Vorgänge in der flüssigen Phase verstanden werden. Da die auf der Erde vorherrschende Gravitation viele Effekte im Schmelzvolumen verdeckt, muss sie ausgeschaltet werden. Die Kristallographen müssen also ins Weltall – oder eben in ein Flugzeug, das eine Parabel fliegt und damit die Schwerkraft verringert.

Für reguläre Kristallzüchtungsexperimente benötigt man allerdings deutlich längere Phasen konstanter Schwerelosigkeit als nur 22 Sekunden. Deshalb werden während der Parabelflüge keine klassischen Züchtungsexperimente durchgeführt. Es soll lediglich erforscht werden, wie sich die Schmelzen verschiedener Materialien im Anfangsstadium der Kristallzüchtung verhalten, wenn sie der Mikrogravitation ausgesetzt sind. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse können dann in die Kristallzüchtung auf der Erde miteinfließen und die laufenden Prozesse verbessern, die dann wieder bei normaler Gravitation stattfinden.

Das DLR macht aufgrund des 30. Jubiläums ganz besonders auf die Parabelflugkampagne aufmerksam – und auch die Albert-Ludwigs-Universität Freiburg hat bereits einige Beiträge darüber verfasst.

Jannis Behnke

 

Video Parabelflüge mit dem A310 ZERO-G

Social-Media-Kampagne der DLR
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Bericht über kristallographische Forschung in der Schwerelosigkeit in uni'leben 01/2015

Bericht über sportwissenschaftliche Forschung bei Parabelflügen in uni'wissen 02/2011

Experimente, die während der 30. Parabelflugkampagne durchgeführt werden