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Der Sinn des Unmöglichen

Der Freiburger Anglist Jan Alber erhält einen Preis für seine Habilitationsschrift, in der er unnatürliche Welten untersucht

Freiburg, 09.10.2013

Der Sinn des Unmöglichen

PD Dr. Jan Alber / Quelle: privat

Unnatürlich, unmöglich, unlogisch: Auch solche Szenarien können einen Sinn haben – zumindest schreiben ihnen Schriftstellerinnen und Schriftsteller in ihren Werken einen Sinn zu. Der Freiburger Anglist Dr. Jan Alber hat in seiner Habilitation „Unnatural Narrative: Impossible Worlds in Fiction and Drama“ unmögliche Welten in britischen und amerikanischen Prosatexten und Dramen untersucht. Für seine Studie hat ihn der Deutsche Anglistenverband mit dem Habilitationspreis 2013 ausgezeichnet. Der Preis ist mit 1.500 Euro dotiert.

In seiner Arbeit beschäftigt sich Alber mit Texten, die das „Unnatürliche“ als physikalisch, logisch oder menschlich unmögliche Szenarien oder Ereignisse beschreiben. Rückwärtslaufende Zeit, eine Schachtel, die leer und gleichzeitig voll ist, ein Erzähler, der telepathische Fähigkeiten hat: Diese Phänomene widersprechen entweder Naturgesetzen oder logischen Prinzipien oder sie hebeln die allgemein bekannten Grenzen menschlichen Wissens aus. Der Anglist untersuchte, was der Verstand macht, wenn realweltliche Erklärungen versagen. Als Kernstück der Studie entwickelte er neun Strategien, die Leserinnen und Lesern dabei helfen sollen, mit dem Unnatürlichen umzugehen. Beispielsweise wird die Verwandlung der Figur Grace in ihren geliebten Bruder Graham in Sarah Kanes Stück „Cleansed“ dadurch erklärbar, dass man sie im Kontext einer Allegorie über die Gefahren der Liebe liest. Die Verwandlung von Grace steht für die spezifische Gefahr, sich in der Beziehung zum Anderen und dem Versuch, ganz im Anderen aufzugehen, gänzlich zu verlieren und damit die eigene Identität aufzugeben.

Darüber hinaus verglich der Wissenschaftler die Unmöglichkeiten in der postmodernen Literatur seit den 1960er Jahren, die nach wie vor eigenartig und befremdlich wirken, mit den Unmöglichkeiten in früheren Gattungen: Sprechende Tiere in Fabeln oder übernatürliche Wesen im Epos galten vor Jahrhunderten ebenfalls als unmögliche Szenarien, doch mit der Zeit wurde das Unnatürliche in gedankliche Muster und literarische Konventionen überführt. In diesem Zusammenhang fand Alber heraus, dass das Unnatürliche eine bisweilen unterschätzte Triebkraft hinter der Entwicklung neuer literarischer Gattungen ist: Neue Genres wie Science Fiction oder Fantasy gehen häufig mit der Übertragung von Unmöglichkeiten in literarische Konventionen einher. Gleichzeitig zeigt Alber in seiner Arbeit, dass es sich bei den Unmöglichkeiten in der postmodernen Literatur nicht um gänzlich neue Phänomene handelt. Postmoderne Erzählungen haben das Unnatürliche nicht erfunden, sondern greifen auf bereits in literarische Konventionen überführte Unmöglichkeiten aus der Literaturgeschichte zurück. Beispielsweise findet der Vater, der in Harold Pinters Stück „Family Voices“ Briefe schreibt, obwohl er schon längst tot ist, seine Vorwegnahme in den zahlreichen Geistern, die in mittelalterlichen Texten und Schauerromanen aus dem Purgatorium zurückkehren.

 

Kontakt:
PD Dr. Jan Alber
Englisches Seminar
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Tel.: 0761/203-3317
E-Mail: jan.alber@anglistik.uni-freiburg.de

 

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