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Internet und ideologischer Wandel

Die Politikwissenschaftlerin Rehab Sakr untersucht, wie sich die Informationstechnologie und der politische Islam beeinflussen

Freiburg, 14.03.2013

Internet und ideologischer Wandel

© Volodymyr Vasylkiv - Fotolia.com

Wie nutzen Parteien wie die Muslimbruderschaft in Ägypten, die Hizbollah im Libanon und die AKP-Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung (AKP) in der Türkei das Internet? Beeinflusst das Internet im Gegenzug islamische Bewegungen? Mit diesen Fragen beschäftigt sich die Politikwissenschaftlerin Dr. Rehab Sakr, die im Wintersemester 2012/13 am Arnold-Bergstraesser-Institut für kulturwissenschaftliche Forschung der Albert-Ludwigs-Universität promoviert wurde. Ihre Dissertation zeigt, dass sich islamische Bewegungen medienwirksam im Internet präsentieren, um neue Zielgruppen zu erreichen. Bei den Internetauftritten der Organisationen stellte Sakr einen so genannten Doppel-Diskurs fest: „Die Muslimbruderschaft beispielsweise präsentiert sich auf ihrer arabisch sprachigen Webseite als religiöse Prediger-Gemeinschaft, auf der englischen Webseite hingegen als politische Partei“.

Die Politikwissenschaftlerin beobachtete einen ideologischen Wechsel innerhalb islamischer Bewegungen: von islamisch zu postislamisch. „Islamisch“ steht für eine streng konservative politische Einstellung, die durch eine feindliche Haltung gegenüber dem Westen charakterisiert ist. Darüber hinaus hindert eine islamische Gesellschaftsordnung Frauen und Angehörige nicht-islamischer Minderheiten daran, ein hohes öffentliches Amt zu bekleiden.

Im Gegensatz dazu steht der Begriff „postislamisch“ für eine liberale, gemäßigte, tolerante Haltung, die freundschaftliche Beziehungen mit dem Westen und Israel befürwortet und keine Minderheiten diskriminiert. Sakr begründet den Wechsel von der islamischen zu der postislamischen Geisteshaltung damit, dass durch das Internet lokale und westliche Intellektuelle, Künstler und linksliberale Bürger wachsenden Einfluss erlangt haben. Um diese neuen Zielgruppen zu erreichen, mussten islamische Bewegungen, ihr Image ändern: Sprache, Rhetorik, Ansichten und Ideologien.

Im Alltag nutzen islamische Bewegungen das Internet als Werkzeug für Werbung und Pressearbeit und dazu, neue Mitglieder zu rekrutieren. Innerhalb der politischen Gruppierungen unterscheidet sich der Einsatz jedoch erheblich: Die legale AKP in der Türkei benutzt es lediglich als Kommunikationsinstrument nach außen. Die Muslimbruderschaft hingegen, die jahrzehntelang verboten war, schuf sich über das Internet einen öffentlichen Raum. Im Vorfeld der ägyptischen Revolution und der darauf folgenden Machtübernahme durch die Muslimbruderschaft organisierte die Bewegung E-Demonstrationen und E-Streiks: Bei einer E-Demonstration gehen zu einer ausgemachten Uhrzeit Tausende von politischen Aktivisten und Systemgegnern auf ausgewählte Facebook-Seiten, zum Beispiel der Regierung, und posten Parolen, wie „Geht!“, „Freiheit und Brot!“ oder „Gerechtigkeit!“. Anschließend senden sie Spam-Meldungen an Facebook und erreichen damit, dass diese Seiten blockiert werden.

Sakr hat sich ebenfalls mit dem Phänomen Hacktivismus beschäftigt: Angriffe auf feindliche Webseiten, die dazu dienen, politische Ziele zu erreichen. So hacken zum Beispiel Angehörige der Hizbollah die Webseiten des Staats Israel und der AKP, um ihre Inhalte auf deren Seiten zu verbreiten. „Die Hizbollah benutzt das Internet vorwiegend, um kriegerische Handlungen ihrer Aktivisten in Form von Fotos und Videos zu dokumentieren, damit entsteht ein virtueller Ort der Kriegsführung“, erläutert die Politikwissenschaftlerin.

Rehab Sakr studierte an den Universitäten Kairo/Ägypten und Maastricht/Niederlande. Ein Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdiensts ermöglichte ihr, ihre Doktorarbeit an der Albert-Ludwigs-Universität zu schreiben. Sie wurde von Prof. Dr. Theodor Hanf, Arnold-Bergstraesser-Institut für kulturwissenschaftliche Forschung, betreut.

 


Kontakt:
Rehab Sakr
E-Mail: sakr.rehab@yahoo.com


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