Artikelaktionen

Sie sind hier: Startseite Newsroom Expert:innendienst Die Wahrheit als höchstes Gut

Die Wahrheit als höchstes Gut

Der Erkenntnis- und Wissenschaftstheoretiker Wolfgang Freitag über gesichertes Wissen und den Umgang der Wissenschaft mit „alternativen Fakten"

Freiburg, 10.04.2017

Die Wahrheit als höchstes Gut

Foto: Sandra Meyndt

Weltweit haben sich Forscherinnen und Forscher als Reaktion auf die Politik der „alternativen Fakten" aus dem Kabinett des US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump zu einer Protestbewegung formiert. Am 22. April 2017 demonstrieren sie bei dem internationalen „March for Science" für die Werte von Wissenschaft und Forschung – auch in Freiburg findet eine Demonstration statt.

„Das Ziel von Wissenschaft ist es, vorurteilsfrei zu arbeiten und gesichertes Wissen zu schaffen", erläutert Prof. Dr. Wolfgang Freitag von der Universität Freiburg. Gesichertes Wissen sei Wissen, das sich gegen alle berechtigte Zweifel behauptet. „Alternative Fakten" gebe es nicht. Es gebe allerdings kontroverse Meinungen und Theorien: „Welche der verschiedenen Positionen die richtige ist, muss immer im Einzelfall und häufig mit den exakten Methoden der Wissenschaft überprüft werden."

Das ‚postfaktische' Zeitalter auszurufen hält Freitag für verfehlt. Der instrumentelle Umgang mit Tatsachenbehauptungen sei auch in Demokratien schon immer Teil der politischen Praxis gewesen und habe nicht selten auch politische Lügen zur Folge gehabt. Auch dass die Wissenschaft und ihre Ergebnisse in Frage gestellt werden, sei keineswegs neu: „Wissenschaftsskepsis war wesentlicher Teil der Postmoderne – häufig verbunden mit der Ansicht, die Wissenschaft sei nur Ausfluss der Herrschaftsideologie einer westlich dominierten Weltsicht."

Aus Freitags Sicht hat die aktuelle Diskussion über die angebliche Postfaktizität des politischen Diskurses verschiedene Hintergründe. „Die wissenschaftskritische Tendenz ist plötzlich auch auf Seiten der politischen Rechten zu finden und droht mit Trump Teil der Staatsräson der USA zu werden", sagt Freitag. Vor allem jedoch sei sie Anzeichen der institutionellen Krise der traditionellen Medien: „Kommunikation in den sozialen Medien untersteht keiner redaktionellen Kontrolle. Sie befindet sich weitgehend in einem Zustand der Anarchie." Freitag rät aber auch zu Gelassenheit: „Die mediale Vielfalt ist so groß wie noch nie. Und es werden sich auch für die sozialen Medien Mechanismen zur Sicherung der Informationsqualität entwickeln." Auch Trump werde nicht dauerhaft an der Wahrheit vorbeitwittern können.

 

                                           

 

Prof. Dr. Wolfgang Freitag
Tel.: +49 - (0)761 - 203-67617

Email: wolfgang.freitag@ucf.uni-freiburg.de


Foto: privat