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Schöne neue Weltunordnung

In einer Reihe analysieren Experten, wie sich das politische und wirtschaftliche Kräfteverhältnis in der Welt verändert

Freiburg, 15.10.2018

Schöne neue Weltunordnung

Foto: Lena Bell/Unsplash

Die Vereinigten Staaten, die alte Supermacht, werden von aufstrebenden Ländern wie China immer mehr ins Abseits gedrängt. Auch Russland und Indien stehen bereits in den Startlöchern. Was passiert also, wenn neue und mächtige Spieler die Weltbühne betreten? In der ab dem Wintersemester 2018/19 startenden Reihe „Schöne neue Weltunordnung?“ will das Colloquium politicum mit neun Veranstaltungen – darunter einem Streitgespräch und einer Podiumsdiskussion – das aktuelle Kräftemessen analysieren. Programmkoordinator Dr. Arndt Michael hat mit Rimma Gerenstein darüber gesprochen, wie sich die Weltordnung verändert, warum die Schieflage nicht so leicht wieder geradezurücken ist und weshalb beim Titel der Reihe ein ironischer Unterton mitschwingt.


Neue Global Player: Bei der Reihe diskutieren Experten, in welche Richtungen sich das politische und wirtschaftliche Kräftemessen der Welt entwickeln könnte. Foto: Lena Bell/Unsplash

Herr Michael, die Reihe trägt den Titel „Schöne neue Weltunordnung“. Was ist denn aus den Fugen geraten?

Arndt Michael: Seit dem Ende des Kalten Krieges waren es die USA, die politisch und wirtschaftlich die Welt dominierten. Eine Supermacht, bei der man davon ausgehen konnte, dass sie Werte vermittelt, für Frieden sorgt und die internationalen Strukturen beherrscht. Seit etlichen Jahren ist aber zu sehen, dass es neue Spieler gibt: aufstrebende Staaten wie China, die mittlerweile eine so große politische und wirtschaftliche Macht erlangt haben, dass sie die Dominanz der USA herausfordern. Gleichzeitig ziehen sich die Vereinigten Staaten aus ihrer bisherigen Rolle zurück. In der Donald-Trump-Ära mit dem Motto „America first“ hält sich das Land nicht mehr an die Regeln, die es selbst einmal aufgestellt hat.

Ist das nicht eher eine temporäre Schieflage? Nach den nächsten US-amerikanischen Wahlen könnte eine neue Präsidentin oder ein neuer Präsident das Bild wieder geraderücken.

Nicht ganz. Schon unter Barack Obama fand eine große Veränderung der Weltordnung statt. Er verlagerte den Fokus von Europa und Lateinamerika und wandte sich deutlich Asien zu. Das war der Beginn des pazifischen Zeitalters – China, Indien und Japan wurden als Partner wichtiger. Trump zieht diese Wendung ins Extreme. Schon jetzt prognostizieren viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, dass seine wirtschaftlichen Erfolge ihm eine zweite Amtszeit ermöglichen werden. Es ist also eine Weltunordnung, die man nicht so leicht wieder rückgängig machen kann. Wolfgang Ischinger, Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, hat diese Situation vor einigen Monaten als „Epochenbruch“ bezeichnet.

Und diesen Epochenbruch möchten Sie sich genauer anschauen?

Genau, und zwar aus neun verschiedenen Blickwinkeln: Alle Vorträge gehen der Frage nach, wie sich die Weltordnung ändert. Darunter sind Perspektiven auf Afrika, China, Indien, Lateinamerika, Europa und natürlich auf die USA. Wir starten am 16. Oktober mit einem Vortrag über Russland, und die Klammer bildet die abschließende Podiumsdiskussion „Bye-bye Britain“ am 14. März 2019, zwei Wochen vor dem Brexit am 29. März. Da sprechen wir über die Frage, ob die Europäische Union ihre Stellung als dominante wirtschaftliche Macht in der neuen Weltordnung halten kann.


Programmkoordinator Arndt Michael hat die neue Reihe erarbeitet und sammelt bereits Ideen für eine Fortsetzung. Foto: Sandra Meyndt

Sie spielen mit dem Vortragsnamen auf Aldous Huxleys berühmten Roman „Schöne neue Welt“ an. Wird es dem Publikum nach neun Vorträgen über Dystopien nicht etwas Bange?

Huxley entwirft eine Welt, die schön, friedlich und sicher wirkt, aber eigentlich eine Diktatur ist, in der die Menschen durch Drogen gefügig gemacht und kontrolliert werden. Davon sind wir weit entfernt. Mir war es wichtig, einen Titel zu wählen, der nicht banal klingt. Der Begriff „Weltunordnung“ ist seit ein paar Jahren prominent in den Medien vertreten; der damalige Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat ihn zum Beispiel in einer vielbeachteten Rede benutzt. Weltunordnung ist genau das, was gerade passiert: Wir haben keine ordnende Supermacht mehr. Da kann man schon die Frage stellen: Ist das etwas Gutes? Können wir uns darauf freuen? Ist das etwas Neues, oder erinnert es an eine Situation, die es schon mal gab – zum Beispiel beim „Konzert der Mächte“, als die großen Staaten Europas im 19. Jahrhundert die Welt untereinander aufteilen wollten.

Das hat aber nicht so gut geklappt.

Es ist schrecklich schiefgegangen. Beim Titel „Schöne neue Weltunordnung“ schwingt auch ein ironischer Unterton mit. Niemand weiß, wie sich die Welt entwickelt. Wir können lediglich Prognosen anstellen und über verschiedene Möglichkeiten diskutieren. Das ist das Ziel dieser Reihe. Sollte sie auf gute Resonanz stoßen, habe ich schon viele Ideen, wie sich die Fortsetzung im Sommersemester gestalten ließe. Spannend wären inhaltliche Schwerpunkte auf Afrika und China. Die „Neue Seidenstraße“, ein aktuelles Projekt der chinesischen Regierung, ist ein passendes Beispiel. Viele Forschende gehen davon aus, dass die Seidenstraße Chinas Antwort auf die westlich dominierte Welt ist und ihr eine wirtschaftliche Vormachtstellung sichern wird – mit Allianzen und Abhängigkeiten, die nach chinesischen Werten gestaltet sind.

 

Programm der Reihe „Schöne neue Weltunordnung“

Neues Programm des Colloquium politicum und Studium generale