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Das Bild im Fokus

Eine Studie untersucht, wie sich Medienbilder auf die Bereitschaft zum politischen Protest auswirken

Freiburg, 05.09.2018

Das Bild im Fokus

Foto: Fitz/Fotolia

Was bewegt Menschen dazu, für ihre Werte einzutreten und politischen Protest auszuüben? Politikwissenschaftlerin Diana Panke untersucht, welche Rolle Medienbilder dabei spielen und ob die Betrachtung von Fotos Einfluss auf die Bereitschaft hat, selbst aktiv zu werden.  


Beschützt meine Kinder: eine Demonstration für strengere Waffengesetze. Foto: Fitz/Fotolia

Eine Flut visueller Eindrücke gehört zum Alltag aller, die morgens die Zeitung lesen, tagsüber im Internet surfen oder abends den Fernseher einschalten. Berichte ohne Bilder sind rar geworden, vor allem in Zeiten der Neuen Medien. In der Studie „Still Images – Moving People?“ untersucht Diana Panke, Professorin für Politikwissenschaft an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, zusammen mit Privatdozentin Dr. Stephanie Geise von der Universität Münster und Dr. Axel Heck von der Universität Kiel, ob die Emotionen, die das Betrachten von Medienbildern hervorruft, die Bereitschaft verändern, selbst politisch aktiv zu werden und Protest zu äußern. „Das Thema politischer Protest ist noch immer aktuell. Die Bilder, die während der Flüchtlingskrise, der Pegida-Demonstrationen oder des Arabischen Frühlings über die sozialen Medien transportiert wurden, haben sich eingeprägt“, erklärt Diana Panke die Idee zu dem Projekt, das von der Friede Springer Stiftung für eineinhalb Jahre mit rund 156.000 Euro gefördert wird.

Die Auswahl der Bilder

Zu Beginn ihrer Arbeit fasste die Forschungsgruppe ihr Konzept enger, indem sie sich auf die vier Politikfelder Sicherheit, Wirtschaft, Tierschutz und Bildung konzentrierte. Vor der eigentlichen Hauptstudie spielte die Auswahl der Bilder eine entscheidende Rolle. „Wir haben darauf geachtet, dass es möglichst unbekannte Fotos sind, denn wir wollen schließlich herausfinden, welche spontanen Reaktionen Medienbilder hervorrufen“, erläutert Panke. Das funktioniere nur, wenn die Bilder den Betrachtern fremd seien. In einer Selektionsstudie mit mehr als 40 Probandinnen und Probanden seien deshalb aus einem großen Pool von Medienbildern für jedes der vier Politikfelder vier Bilder – zwei positiv und zwei negativ bewertete – ausgesucht worden.

Im Fokus standen dabei Fotos von Protestgegenständen und Protestbewegungen. „Positiv bewertet wurde im Politikfeld Tierschutz beispielsweise das Foto eines Kükens, das auf einer grünen Wiese herumläuft, sowie ein Foto, das fröhlich demonstrierende Bürgerinnen und Bürger mit bunten Transparenten zeigt. Negativ wahrgenommen wurden hingegen Fotos einer Legebatterie und Aufnahmen von vermummten Gestalten, die militant auftreten.“ Anschließend seien die Bilder wie gängige Medienberichte aufbereitet worden, indem jeweils Überschriften, Unter- und Autorenzeilen sowie ein Fließtext hinzugefügt wurden. Dabei seien die Texte und die Aufmachung relativ neutral gehalten worden, um ihre Vergleichbarkeit zu gewährleisten. „Nachdem wir das Design der Studie erstellt hatten, haben wir in einer kleineren Vorstudie mit 20 Teilnehmerinnen und Teilnehmern überprüft, ob es auch wirklich so funktioniert, wie wir das wollen.“

Experimentelles Design

Die Hauptstudie mit 120 Probanden, allesamt Studierende der Universität Münster, lief dann wie folgt ab: Zunächst mussten die Teilnehmer am Computer einen detaillierten Fragebogen ausfüllen, mit dem unter anderem die Einstellungen zu den vier Politikfeldern abgefragt und der allgemeine Wissensstand zu den einzelnen Themen überprüft wurde. Anschließend wechselten die Probanden zu einem anderen Computer und bekamen aus jedem der vier Politikfelder jeweils einen Medienbericht zu lesen. Via Eye-Tracking, einer technischen Methode, wurden die Blickrichtung und die Dauer der Betrachtung gemessen. „Interessant für uns war vor allem, wie lange der Blick auf den Bildern verweilt und welche Bildelemente sich die Testpersonen besonders intensiv anschauen“, erklärt die Freiburger Wissenschaftlerin.


Beim Eye Tracking ist im Computer eine kleine Schiene aufgebaut, die den Blickverlauf der Pupille misst. Die Farben gelb und grün weisen auf eine kürzere Verweildauer hin, rot auf eine längere. Foto: Institut für Kommunikationswissenschaft, WWU Münster

Der Eye-Tracker mache sichtbar, dass der Blickverlauf während des Betrachtens und Lesens nicht konsequent eine Richtung einhalte. „Das Auge springt hin und her: mal zum Text, dann wieder zurück zur Überschrift oder zum Bild“, erläutert sie. Dabei wussten die Teilnehmer nur, dass sie bei einer allgemeinen Studie zum Thema Medien mitmachen, nicht, dass es speziell um die Wirkung von Bildern geht. „Manche haben sich beispielsweise die Texte ganz genau durchgelesen, weil sie nicht wussten, welche Fragen im Nachgang auf sie warteten.“

Nach dem Eye-Tracking folgte das Ausfüllen eines zweiten Fragebogens, mit dem die Forscherinnen und Forscher genauer ermittelten, wie die Bilder wahrgenommen wurden – ob positiv, negativ oder neutral – und welche Emotionen sie hervorgerufen hatten. Dieser zweite Fragebogen enthielt auch mehrere Fragen aus dem ersten Fragebogen, um durch einen Vorher-nachher-Vergleich Rückschlüsse auf eine möglicherweise veränderte Bereitschaft der Probanden zum politischen Protest in den verschiedenen Politikbereichen ziehen zu können.

„Unser Forschungsdesign hat experimentellen Charakter, was in der Politikwissenschaft eher unüblich, aber gerade deshalb auch sehr innovativ ist“, sagt Panke. Ziel des Projekts sei es, eine Kausalität zwischen der visuellen Wahrnehmung, dem affektiven Verhalten –  also der zunächst nicht bewussten Reaktion auf ein Bild – und dem daraus entstehenden Sinneseindruck sowie intentionalem politischen Handeln herzustellen. „Wir wollten so erfahren, ob Bilder das Potenzial haben, am Handeln etwas zu ändern“, sagt die Freiburger Forscherin. Politischer Protest könne sich in vielen verschiedenen nieder- und höherschwelligen Formen äußern: vom Sammeln von Unterschriften über die Teilnahme an Bürgerbewegungen bis hin zu militanten Aktionen.

Erste Ergebnisse

Da das große Auswertungstreffen der Forschergruppe noch ausstehe, seien die Ergebnisse zunächst noch vorläufig. Vier Anfangshypothesen gelte es zu überprüfen. „Was wir zum einen wissen wollten, ist, ob die Gesamtdauer der Bildbetrachtung einen positiven Effekt auf die Bereitschaft hat, sich politisch zu engagieren. Kurz gesagt: Ist die Bildwirkung stärker, je länger der Blick auf dem Bild verweilt?“ Diese erste Erwartung habe sich bislang bestätigt.


Die eigens für die Studie erstellten Medienberichte wurden in ihrer Aufmachung neutral gehalten, um die Vergleichbarkeit der Bildwirkung zu gewährleisten. Foto: Institut für Kommunikationswissenschaft, WWU Münster

Die zweite Annahme der Forscher war, dass Bilder, die extreme Reaktionen hervorrufen – seien es positive oder negative –, einen stärkeren Einfluss auf die Bereitschaft zum politischen Protest haben. „Auf das Foto mit der Legebatterie beispielsweise reagierten die Probanden sehr ablehnend, weshalb wir hier eine stärkere Bereitschaft erwarten, sich später für den Tierschutz zu engagieren“, resümiert Panke. Oder, ins Positive gewendet: Ein kleines Küken, das munter auf einer saftiggrünen Wiese herumläuft, sollte stärkere Wirkungen auslösen als ein eher neutral gehaltenes Bild wie das einer Gruppe Hühner vor einem grauen Hintergrund. Diese Annahme sieht die Forscherin nach der Auswertung der Vorstudie bestätigt, allerdings fehle hier noch das Ergebnis aus der Hauptstudie.

Hypothesenstatus

Bislang noch nicht in die Auswertung einbezogen sind einige hinter der Bildauswahl stehende Hypothesen. So will das Team unter anderem herausfinden, wie empathisch die Probanden sind. Gibt es andere Reaktionen beim Betrachten von Protestgegenständen im Vergleich zur Betrachtung von Protestbewegungen? „Das ist im Prinzip das soziale Handlungsmodell. Ziel ist es, zu analysieren, ob sich Personen stärker angesprochen fühlen von Bildern, auf denen sie Personen sehen, die sich bereits politisch engagieren.“ Oder – das wäre das strategische Modell – „man sieht einen Protestgegenstand wie die Legebatterie, und daraus kristallisieren sich bestimmte Erwartungen und Interessen heraus, für die man sich einsetzen möchte“.

Was darüber hinaus immer mitschwinge, sei die Tatsache, dass nicht jeder Politikbereich jedem Individuum gleich wichtig und gleich nah ist. Auf die vier ausgewählten Politikfelder bezogen, erwartet die Forschergruppe stärkere Reaktionen bei den Themen Bildung und Tierschutz, weil diese eine größere Rolle im Alltag der Probandengruppe spielten. „Wirtschaft und Sicherheit sind dagegen von der alltäglichen Lebenswelt der Studierenden weiter entfernt.“ Noch sei dies jedoch nicht abschließend untersucht.

„Bislang ist der Hauptbefund, dass die Betrachtungsdauer einen entscheidenden Unterschied macht. Was sich darüber hinaus versuchsweise zeigt, ist, dass auch bei der subjektiven Wahrnehmung große Unterschiede bestehen“, resümiert Panke. Nach dem Abschluss dieser Studie sei bereits eine weitere zum gleichen Thema in Planung, dann jedoch mit mehr Probanden und einem noch differenzierteren Projektdesign.

Judith Burggrabe