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Ein Fest für die Partnerschaft

Die Fraunhofer-Gesellschaft feiert ihr 70. Jubiläum in Freiburg – Stefan Hiermeier berichtet über die Zusammenarbeit mit der Albert-Ludwigs-Universität

Freiburg, 25.09.2019

Sie ist so alt wie das Grundgesetz: Vor 70 Jahren wurde die Fraunhofer-Gesellschaft als gemeinnütziger Verein gegründet. Mit ihrer anwendungsorientierten Forschung wollte sie dazu beitragen, der deutschen Wirtschaft und Gesellschaft in der Nachkriegszeit wieder auf die Beine zu helfen. Etablierte Wissenschaftsinstitutionen begegneten dem als Konkurrenten empfundenen Akteur anfangs aber eher naserümpfend: Nur die autonome und zweckfreie Grundlagenforschung galt ihnen als „richtige Wissenschaft“. Mit fünf Instituten entwickelte sich Freiburg zu einem wichtigen Standort der Fraunhofer-Forschung – und einem starken Partner für die Universität. Wie es dazu kam, wollte Anita Rüffer von Prof. Dr. Stefan Hiermaier wissen. Er ist sowohl Direktor des Fraunhofer-Instituts für Kurzzeitdynamik, Ernst-Mach-Institut, EMI als auch des Instituts für Nachhaltige Technische Systeme (INATECH) an der Technischen Fakultät sowie einer der beiden Koordinatoren des Leistungszentrums Nachhaltigkeit Freiburg.


Mit einer Lasershow feiert die Fraunhofer-Gesellschaft ihr 70-jähriges Bestehen.
Foto: Patrick Seeger

Herr Hiermaier, wie kommt es, dass Sie gleichzeitig Direktor eines Fraunhofer- und eines an der Universität angesiedelten Instituts sind?

Stefan Hiermaier: Schon seit einigen Jahren ist es Usus, dass die Direktoren der Freiburger Fraunhofer-Institute gleichzeitig mit einer Professur an der Universität lehren und forschen. Auch unterhalb der Institutsleitungen gibt es eine große Durchlässigkeit: Fraunhofer-Mitarbeitende können an der Universität akademische Grade erwerben, Studierende bei Fraunhofer Praktika machen und Einblicke in die Arbeitswelt bekommen.

Als sichtbarstes Zeichen der Kooperation gilt das 2015 von Ihnen mitbegründete INATECH. Was ist das Besondere daran?

Es ist deutschlandweit einmalig, dass ein universitäres Institut zu gleichen Teilen von der Fraunhofer-Gesellschaft und von einer Universität finanziert und betrieben wird. Jede Institution steuert jeweils sieben der vierzehn Professuren bei. Die unterschiedlichen Disziplinen betreiben gemeinsam ingenieurwissenschaftliche Nachhaltigkeitsforschung. Wir haben einen englischsprachigen Masterstudiengang entwickelt – auf die 45 Plätze kommen mehr als 500 Bewerberinnen und Bewerber aus aller Welt. Daran zeigt sich, dass wir mit unserem Lehr- und Forschungsschwerpunkt ins Schwarze treffen.

Warum braucht es darüber hinaus noch ein Leistungszentrum Nachhaltigkeit, das ja offenbar zum Impulsgeber für die Gründung von INATECH wurde?

Das Leistungszentrum ist eine Art Dach über dem Megathema Nachhaltigkeit, an dem die gesamte Universität mit allen Fakultäten, auch den geisteswissenschaftlichen, alle fünf Fraunhofer-Institute sowie Partner aus der Industrie beteiligt sind. Damit aus einer Idee ein nachhaltiger Entwicklungsschritt wird, müssen unzählige Zusammenhänge bedacht werden. Allein schon bei der Elektromobilität: Es müssen leichte Werkstoffe entwickelt werden, die die Reichweite, nicht aber die Unfallgefahr erhöhen. Woher kommt die Energie? Welche Batterien sind die besten? Kann ein Quartier genug Strom bereitstellen? Rechnet sich für die Hersteller die Produktion? Ist sie unterm Strich wirklich ökologischer?


„Wir haben gelernt, eine gemeinsame Sprache zu sprechen“: Stefan Hiermeier schätzt die Zusammenarbeit der beiden Einrichtungen. Foto: Fraunhofer EMI

Vom Schmuddelkind zum Partner auf Augenhöhe: Welche Mitgift haben die Fraunhofer-Institute in die Partnerschaft eingebracht?

Die Bundesmittel zur Grundfinanzierung der Fraunhofer-Gesellschaft waren von jeher an die Bedingung geknüpft, dass sie zwei Drittel ihres Budgets aus Forschungsdienstleistungen für öffentliche und private Auftraggeber aus der Industrie erwirtschaftet. Sie weiß sich also am Markt zu behaupten und weiß, wie sich aus Grundlagenforschung marktreife Produkte entwickeln lassen, die eine Gesellschaft weiterbringen.

Fürchtete da die altehrwürdige Universität nicht um die Freiheit der Forschung?

Wir haben mit unserer Idee für ein gemeinsames Leistungszentrum in Freiburg, das das bundesweit erste von heute 18 wurde, offene Türen eingerannt. Der Gedanke entstand 2014 in der Münchner Zentrale bei einem Gespräch mit unserem Präsidenten Raimund Neugebauer, der den starken Fraunhofer-Standort Freiburg für innovative Zusammenschlüsse nutzen wollte. Als für Freiburg charakteristischen Forschungsschwerpunkt identifizierten wir das Thema Nachhaltigkeit, in dem sich alle Beteiligten wiederfanden. An der Universität wurde daran zum Beispiel schon an der Fakultät Umwelt und Natürliche Ressourcen gearbeitet.

Hat es seither nie im Getriebe geknirscht?

Wir haben einfach ein günstiges Zeitfenster erwischt, in dem auch zwischen den beteiligten Personen alles gut gepasst hat. Ich weiß, dass einer meiner Vorgänger in den 1980er Jahren am Veto des damaligen Fraunhofer-Präsidenten gescheitert ist, der eine Zusammenarbeit mit der Universität untersagte. Die Universität hätte sie auch nicht immer gewollt.

Und wie wächst zusammen, was doch so unterschiedliche Wurzeln hat?

Der gemeinsame Kampf um Ressourcen schweißt uns zusammen. Wir haben gelernt, eine gemeinsame Sprache zu sprechen. Die zwölf auf drei Jahre angelegten Pilotprojekte im Leistungszentrum etwa haben wir in vieler Hinsicht genutzt. Einerseits konnten die EMI-Werkstoffforscherinnen und -forscher von den Kolleginnen und Kollegen aus der Biologie lernen, wie Selbstheilungsprozesse bei Pflanzen funktionieren und sie auf synthetische Werkstoffe übertragen. Im Idealfall könnte dabei zum Beispiel der sich selbst reparierende Fahrradschlauch herauskommen. Andererseits waren die Projekte auch dafür gut, partnerschaftliche Zusammenarbeit zu üben. Dass wir unser Fraunhofer-Fest im Herzen der Universität feiern, dürfte ein starkes Symbol für das Gelingen dieser Partnerschaft sein.

Fraunhofer-Fest

Die fünf Freiburger Fraunhofer-Institute feiern den 70. Geburtstag der gleichnamigen Gesellschaft mit einem großen Fest am 28. September 2019 von 10 bis 22 Uhr auf dem Platz der Weißen Rose. Geboten werden Mitmach-Experimente und ein Bühnenprogramm, das die Forschung der Freiburger Fraunhofer-Institute auf kurzweilige Art auch einem Laienpublikum nahebringt.

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