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Profilieren im Paarlauf

Eine Podiumsdiskussion ergründet die Frage, wie Forschung und Lehre im Exzellenzwettbewerb voneinander profitieren können

Freiburg, 09.05.2018

Profilieren im Paarlauf

Foto: C. Schüßler/Fotolia

Verfolgt man Nachrichten aus der Hochschulpolitik, drängt sich der Eindruck auf, dass exzellente Forschung und hervorragende Ansätze in der Lehre miteinander konkurrieren – vor allem vor dem Hintergrund des aktuellen Exzellenzwettbewerbs. Doch müssen gute Lehre und gute Forschung tatsächlich miteinander wetteifern? Oder können sie voneinander profitieren? Mit diesen Fragen befasst sich eine Podiumsdiskussion in der Reihe „Über Forschung, Lehre und Karrierewege – Zukunftsperspektiven der Universität Freiburg“. Rimma Gerenstein hat die Diskussionsteilnehmenden Bettina Jorzik, Dr. Vitus Oberhauser und Phillip Stöcks gefragt, vor welchen Herausforderungen sie die Lehre in Zeiten von Internationalisierung, Diversität und der Verdopplung von Studierendenzahlen sehen.


Foto: C. Schüßler/Fotolia

Bettina_Jorzik(David Ausserhofer_Stifterverband)_540.jpg„In der Vergangenheit hat man in der Forschung über Preise, wissenschaftliche Durchbrüche, Drittmittel und Patente gesprochen. In der Lehre hingegen wurde über die Probleme lamentiert: Massenuniversitäten, Studienabbrüche, faule Studierende und unwillige Lehrende. Die Exzellenzinitiative hat aber das Unbehagen über die Asymmetrie zwischen Forschung und Lehre befördert, und Bund und Länder haben überzeugende Förderprogramme aufgelegt. Lehre ist heute kein Nischenthema mehr, das von vermeintlich armseligen Gestalten besetzt wird, die in der Wissenschaft nicht reüssieren konnten. Wer sich in der Lehre engagieren möchte, wird gefördert und mit finanziellen sowie zeitlichen Freiräumen belohnt. Dieses Potenzial und die verstärkte öffentliche Aufmerksamkeit nehmen die Universitäten deutlich stärker in die Pflicht, eine eigene hochschulweite Lehrstrategie zu entwickeln und dafür zu sorgen, dass sie auf allen Ebenen ankommt: Ist das Konzept eines Studiengangs stimmig? Sind die Beratungs- und Betreuungsangebote darauf ausgerichtet? Ziehen die Lehrenden an einem Strang, oder macht jeder sein eigenes Ding? Welche Haltung haben sie ihrer Arbeit gegenüber, und haben sie nicht nur die Lehrberechtigung, sondern auch eine Lehrbefähigung? Die Hochschulen müssen den aktuellen Entwicklungen stärker Rechnung tragen: Die heutige Generation der Studierenden ist nicht mehr bereit, sich starren Strukturen anzupassen. Die Heterogenität nimmt zu, und die Hochschulen müssen dieser mit flexibleren und individuelleren Angeboten begegnen. Damit das gelingt, muss unter anderem die Bildungsforschung ausgebaut werden. Wir müssen mehr darüber wissen, wie junge Erwachsene lernen und wie wir sie dabei unterstützen können. Genauso wichtig ist es, diese Erkenntnisse allen Lehrenden zur Verfügung zu stellen – und zwar auf eine Weise, die es ihnen erleichtert, die Ergebnisse in die Praxis umzusetzen.“

Bettina Jorzik leitet den Programmbereich „Lehre und akademischer Nachwuchs“ beim Stifterverband und hat den bundesweiten Wettbewerb „Exzellente Lehre“ mitverantwortet.

Foto: David Ausserhofer/Stifterverband

 

Vitus_Oberhauser(Ingeborg F. Lehmann)_540.jpg„Es ist unbestritten, dass die Universität Freiburg der Lehre inzwischen eine deutlich größere Bedeutung beimisst, als es noch vor etwa zehn Jahren der Fall war. Das ist gut und richtig. Trotzdem sind wir weit davon entfernt, dass Lehre und Forschung den gleichen Stellenwert innehaben. Würde man das ernst nehmen und die beiden ganz paritätisch ansehen, müsste einiges geändert werden – und dafür plädiere ich. In den vergangenen 20 Jahren hat sich die Zahl der Studierenden in Baden-Württemberg knapp verdoppelt. In der Ausstattung der Lehre – sei es im Hinblick auf finanzielle und personelle Ressourcen oder auf die Raumsituation – spiegelt sich das aber nicht adäquat wider. In meinem Grundkurs zum Beispiel sind inzwischen nicht mehr 150, sondern 220 Studierende, was für mich 20 Stunden mehr Präsenzlehre bedeutet, mein Deputat ist aber im Stundenumfang gleich geblieben. Wie soll das gehen? Wie sollen Lehrende die Zeit finden, sich neben ihrer Forschungsarbeit fortzubilden, neue Formate auszuarbeiten, die zum nachhaltigen, aktiven Lernen anregen, und den Studierenden ausführliches Feedback zu geben? Ich wünsche mir, dass es äquivalent zur Deutschen Forschungsgemeinschaft eine Organisation auf Bundes- und Landesebene gibt, die die Lehre fördert: mit Ausschreibungen und genauso viel Drittmitteln, wie sie für die Wissenschaft bereitgestellt werden. Wenn im Rahmen der Hochschulpolitik der Schwerpunkt nicht mehr auf exzellente Forschung gelegt werden würde, wäre es möglich, Lehre als einen attraktiven, vollwertigen, universitären Beruf zu begreifen.“

Vitus Oberhauser forscht und lehrt am Institut für Biologie I. 2009 wurde er mit dem Freiburger Universitätslehrpreis ausgezeichnet.

Foto: Ingeborg F. Lehmann

 

„Der Exzellenzwettbewerb schafft einen falschen Fokus: Die Universität Freiburg bemüht sich viel um die beiden Cluster, die aktuell im Rennen sind, aber investiert nicht so viele Ressourcen in die Frage, wie man Lehre und Forschung universitätsweit voranbringen kann. Die Qualität der Lehre hängt oft von Personen ab und ist von Fach zu Fach verschieden. Dabei sollte es universitätsweit eine größere Motivation geben, innovative Lehrkonzepte zu entwickeln, die nachhaltig in den Studiengängen verankert werden. Lehrpreise greifen oft zu kurz: Sie belohnen zwar gute Lehre Einzelner, fordern sie aber nicht in der Breite ein. Ich wünsche mir, dass Lehrende noch mehr an didaktischen Schulungen teilnehmen und dass die Universität das noch konsequenter mit Evaluationen verknüpft. Und das ist auch notwendig: Heutzutage bringen Studierende mehr denn je die vielfältigsten Hintergründe mit. Lehrende müssen wissen, wie sie den Unterricht so gestalten, dass sie zum Beispiel Studierenden mit nicht-akademischem Hintergrund, aus unterschiedlichen Kulturen oder Studierenden mit Behinderung den gleichen Zugang zu den Angeboten ermöglichen. Besonders interessant für die Lehre finde ich das Potenzial, das der European Campus birgt. Die Partnerschaft der fünf Universitäten hat eine tolle Grundlage für Mobilität und Austausch geschaffen. Nun gilt es, sie studierbar zu machen, denn bisher sind viele Fragen offen: Das betrifft zum Beispiel Regelungen im Hinblick auf die unterschiedlichen Semesterzeiten in Deutschland und Frankreich, eine unproblematische Anrechnung von erbrachten Studienleistungen und – vielleicht am wichtigsten von allem – eine nachhaltige Finanzierung des Projekts.“

Phillip Stöcks studiert Physik, ist im Vorstand der Verfassten Studierendenschaft und vertritt die Studierenden im Senat der Universität Freiburg.

Foto: Sandra Meyndt

 

Podiumsdiskussion

Die Podiumsdiskussion „Gute Forschung oder Gute Lehre – ist beides möglich?“ findet am 17. Mai 2018 ab 14 Uhr im Rektorat am Fahnenbergplatz statt. Alle Interessierten sind herzlich willkommen; eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

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