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Wo Äpfel zu Öpfeln werden

Der Freiburger Germanist Philipp Stoeckle hat untersucht, wie Sprecher Dialekte im alemannischen Dreiländereck wahrnehmen

Freiburg, 19.08.2013

Wo Äpfel zu Öpfeln werden

Foto: Privat


Kaiserstühler sagen „Masser“ statt „Messer“, das „Kind“ wird in der Schweiz zum „Chind“ und im südlichen Markgräflerland essen die Menschen keine „Äpfel“, sondern „Öpfel“: Dies sind einige der sprachlichen Merkmale, die für Orte im alemannischen Dreiländereck typisch sind. So sehen es die Einwohnerinnen und Einwohner, die der Germanist Philipp Stoeckle im Rahmen seiner Dissertation befragte. Er hat erforscht, wie Sprecherinnen und Sprecher aus der Region die Dialektlandschaft in ihrem Umfeld wahrnehmen und einteilen. Wo sehen sie die Grenzen ihres eigenen Dialekts und was empfinden sie als entscheidende Merkmale, durch die sich ihre Ausdrucksweise von anderen abhebt? Mit seiner Dissertation liefert Stoeckle die erste umfangreiche Studie zur kleinräumigen subjektiven Dialektraumklassifikation. Er interviewte mehr als 200 Personen in 37 Orten. Erstgutachter der Arbeit, mit der Stoeckle im Sommersemester 2013 promoviert wurde, war Prof. Dr. Peter Auer vom Lehrstuhl für Germanistische Linguistik des Deutschen Seminars der Albert-Ludwigs-Universität.
 
Der Dialekt spielt für die Bewohnerinnen und Bewohner einer Region eine wichtige Rolle und festigt ihre Beziehung zur Heimat. Stoeckle stellte jedoch alters- und generationenbedingte Unterschiede fest: Ältere Sprecher zeichneten beispielsweise auf einer Karte mehr lokale Dialektgebiete ein und nannten eine höhere Anzahl von sprachlichen Merkmalen, die für das jeweilige Gebiet charakteristisch sind. Dieser Generationenunterschied deutet laut Stoeckle auf einen Wandel der räumlichen Bezugssysteme hin. Vor allem jüngere Sprecher identifizieren sich weniger mit dem Dialekt, den die Menschen traditionell in ihrer lokalen geografischen Umgebung sprechen. Stattdessen ersetzen sie diesen kleineren Raum durch eine größere Region: Für die jüngeren Befragten ist es wichtiger, sich vom Elsass, der Schweiz und dem Schwäbischen abzugrenzen.
 
Die Interviewten machen ihre subjektiven Grenzen einzelner Dialektgebiete oft nicht an sprachlichen Merkmalen fest, sondern orientieren sich an geografischen und räumlich-strukturellen Faktoren, wie die Untersuchung zeigt. Vor allem die Staatsgrenze ist dabei relevant: Sie erfüllt die Funktion einer mentalen Dialektgrenze in den Köpfen der Sprecher. Mit Städten verbinden die meisten einen abgeschwächten Dialekt.
 
Besonders interessant war für den Sprachwissenschaftler, ob die subjektiven Einteilungen von Dialektgebieten und sprachlichen Merkmalen mit den Ergebnissen von objektiven Untersuchungen übereinstimmen, wie mit dem Südwestdeutschen Sprachatlas. Ein wesentlicher Unterschied: Viele Sprecher wiesen bestimmten Dialektmerkmalen ein zu kleines Verbreitungsgebiet zu, obwohl dieses eigentlich größer ist. Viele ordneten zum Beispiel dem Kaiserstuhl das Wort „Masser“ zu. Eigentlich ist dieses Merkmal, die Senkung von e zu a, jedoch entlang der gesamten deutsch-französischen Grenzregion des Untersuchungsgebiets verbreitet.
 
Kontakt:
Philipp Stoeckle
Deutsches Seminar
Universität Zürich
Tel.: +41 44 634 25 26
E-Mail: philipp.stoeckle@ds.uzh.ch
 
Prof. Dr. Peter Auer
Deutsches Seminar
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
E-Mail: peter.auer@germanistik.uni-freiburg.de
 

Die Druckversion der Pressemitteilung (pdf) finden Sie hier.