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Petition für artgerechte Baumhaltung

Forstwissenschaftler erklären in einem Positionspapier, warum die Massenzucht von Bäumen gegen Grundrechte verstößt

Freiburg, 30.03.2015

Petition für artgerechte Baumhaltung

Gestresste Fichte mit Angstreisern. Foto: Jürgen Bauhus

Mästen, schlachten, verarbeiten: Die moderne Massentierhaltung hat sich zu einem der lukrativsten Wirtschaftssektoren in Europa entwickelt. Gleichzeitig mehren sich kritische Stimmen, die auf Defizite im Tier- und Umweltschutz hinweisen. Freiburger Forstwissenschaftlerinnen und Forstwissenschaftler machen nun auf einen bisher übersehenen Missstand aufmerksam: „Unsere Bäume leiden ebenfalls“, sagt Prof. Dr. Jürgen Bauhus von der Fakultät für Umwelt und Natürliche Ressourcen der Albert-Ludwigs-Universität. „Gerade die Fichte ist die arme Sau der Massenbaumzucht.“ Gemeinsam mit seiner Arbeitsgruppe hat Bauhus nun die Online-Petition „Schluss mit der Massenbaumzucht“ gestartet. Darin haben die Forscherinnen und Forscher konkrete Handlungsempfehlungen für Politik, Industrie sowie die Zivilgesellschaft formuliert.

In einer neuen Studie belegt das Team, dass Bäume in vielen deutschen Nutzwäldern unter nicht artgerechten Bedingungen gehalten werden. In der Regel werden bereits die Samen von Zapfenpflückern vom Mutterbaum heruntergerissen und in Baumschulen angezogen, sodass Sämlinge nicht im Schutz des Mutterbaums aufwachsen können. In der Baumschule werden den Sämlingen wiederholt die Wurzeln beschnitten, damit sie leichter gepflanzt werden können. Die Pflanzen werden viel zu dicht und in monotonen Beständen angebaut – die Folge ist, dass sich ihre Wurzeln und Kronen nicht gesund entwickeln können. Oft werden den Bäumen schon im jungen Alter Äste abgesägt, um die Holzqualität zu steigern. „Eine artgerechte Kommunikation über gegenseitige Reibung mit den Mitbäumen ist nicht mehr möglich“, stellt Bauhus fest. Das habe langfristige Auswirkungen auf das Baumwohl. Oft reagierten Bäume aus nicht artgerechter Haltung mit Angstreisern. Im eng bepflanzten Wald, in dem die Sonne nicht bis zum Boden durchdringt und sich die abgeworfenen Blätter und Nadeln nur langsam zersetzen, stehen die Pflanzen jahrzehntlang im eigenen Dreck – und werden vom Rest der Lebensgemeinschaft in Waldökosystemen gemieden. Geerntet werden die meisten Bäume von vollmechanisierten Harvestern bereits in einem jugendlichen Stadium; die wenigsten dürfen natürlich altern. „Unsere Daten beweisen, dass Bäume, die sich natürlich verjüngen dürfen, mit Mischbaumarten aufwachsen und ausreichend Raum erhalten, gesünder leben. Sie werden deutlich weniger von Krankheiten und Schädlingen befallen. Auch ihr Holz hat eine höhere Qualität und ist langlebiger“, sagt der Forscher. „Daher müssen dringend waldbauliche Verfahren entwickelt werden, die das Baumwohl erhöhen und gleichzeitig die gesellschaftliche Akzeptanz der Forstwirtschaft wieder herstellen.“

Dazu gehören laut Bauhus und seiner Gruppe ein Grundrecht für Bäume und Maßnahmen der artgerechten Baumhaltung. Zertifizierungssysteme sollen den Grad des Baumwohls benennen, mit dem das gehandelte Holz produziert worden ist: „Eine Fichte braucht Freiheit und Fürsorge“, betont der Wissenschaftler. Statt sie mit Farbe zu markieren, sollten Försterinnen und Förster die Bäume regelmäßig umarmen. „Doch der Weg dahin ist noch lang und schwierig“, lautet die realistische Einschätzung des Forstwissenschaftlers, der jüngst mit einem internationalen Autorenteam in einem Artikel die wirtschaftlichen und sozialen Hindernisse für eine artgerechte Baumhaltung aufgezeigt hat. Der Beitrag wird in Kürze in der renommierten Fachzeitschrift „Forest Ecosystems“ erscheinen.

Unterstützerinnen und Unterstützer können die Petition unterzeichnen:
www.pr.uni-freiburg.de/go/schluss-mit-massenbaumzucht


Kontakt:
Prof. Dr. Jürgen Bauhus
Professur für Waldbau
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Tel.: 0761/203-3677
E-Mail: juergen.bauhus@waldbau.uni-freiburg.de


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