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Digitaler Ärzte-Assistent

Die Software Idana kann Diagnosen erleichtern und Therapien verbessern

Freiburg, 07.09.2017

Digitaler Ärzte-Assistent

Foto: Monet/Fotolia

Idana spart Ärztinnen und Ärzten Arbeit, und das kommt den Patientinnen und Patienten zugute: Die Software, die einem Start-up der Albert-Ludwigs-Universität und des Universitätsklinikums Freiburg entsprungen ist, fragt alles zur Krankengeschichte ab, dokumentiert die Angaben und stellt sie übersichtlich dar. So bleibt mehr Zeit für Patientengespräche. Mit dem Vorwissen können Ärzte zudem genauere Diagnosen stellen – mit dem Resultat, dass viele Therapien verbessert werden können.

Die Software fragt mit Tablets oder Smartphones die Krankengeschichte und Lebensumstände eines Patienten ab und liefert sie dem Arzt vor dem Gespräch auf den Schirm.
Foto: Monet/Fotolia

„Idana ist eine einfach zu bedienende Software mit hohem medizinischen Nutzen", erklärt Lucas Spohn, Geschäftsführer der Tomes GmbH. Das Start-up der Albert-Ludwigs-Universität und des Universitätsklinikums Freiburg hat Idana entwickelt. In ein paar Wochen steht für das Programm die Feuertaufe an. Dann wird die Testversion fertig sein. „Wir werden sie an Interessierte schicken, die sich bei uns gemeldet haben", sagt Spohn. Dazu gehören Medizinerinnen und Mediziner der Universitätsklinik, aber auch einige niedergelassene Ärzte. Ihre Anregungen sollen dem Programm den finalen Schliff verleihen. Alles muss ruckzuck gehen: Tomes plant die Markteinführung spätestens bis Ende 2017.

Genaue Angaben und mehr Details

Idana steht für intelligente digitale Anamnese. Die Software fragt mit Tablets oder Smartphones die Krankengeschichte und Lebensumstände von Patienten ab. Welche Beschwerden plagen sie? Lebt jemand allein, in einer Partnerschaft oder mit einer Familie? Wie schätzen Patienten ihre Lebensqualität ein? Sind sie Nichtraucher, Raucher oder Exraucher? „Diese Fragen müssen Ärzte ihren Patienten anfangs auch stellen", sagt Spohn. Abfragen kostet Zeit, das Dokumentieren der Antworten noch mehr. Die spart Idana, weil das Programm beides erledigt. Darüber hinaus passen sich die Fragen den Patienten an und liefern digitale Daten. Die lassen sich am Computer – anders als auf Papier – rasch bearbeiten.

Zudem stammen die Fragen aus Ärztehand. Der 28-jährige Spohn hat ein Medizinstudium absolviert, ebenso wie die gleichaltrige Tomes-Mitgründerin Lilian Rettegi. Die digitalen Fragebögen halten sich eng an die medizinischen Leitlinien und ergründen Details, die Therapien beeinflussen können. „Wir haben die Aussagekraft deutlich verbessert", betont Spohn. Aktuell existieren unterschiedliche Fragenkataloge für mehrere Fachdisziplinen wie etwa für die Kardiologie – und die Fragen zweigen sich je nach Antwort auf: Wer über Herzrasen klagt, landet womöglich auf einem anderen Ast des Fragenbaumes als Patienten mit Belastungsschmerzen am Herz.

 

 Die Fragebögen umfassen detaillierte Fragen, die zur Anamnese gehören. Anschließend können Ärzte die Daten mit Programmen auswerten, formen und gestalten.
Foto: Tomes GmbH

Datenschutz ist gewährleistet

Vorteile bringt auch das digitale Format. Die Daten lassen sich mit Programmen auswerten, formen und gestalten. „Die Ärzte erhalten sie übersichtlich dargestellt auf ihre Computer", sagt Spohn. Vor einem Patientengespräch ist die Ausgangslage also schnell erfasst. In der gewonnenen Zeit können Ärzte gezielt auf Unklarheiten oder Besonderheiten eingehen. Sie können Tests und apparative Untersuchungen präziser abstimmen. Idana eröffne die Chance für bessere Diagnosen und Therapien, sagt Spohn: „Von unserer Software profitieren beide Seiten." Auch der Datenschutz ist gewährleistet. Das übernimmt die Cloud. „Nutzer müssen lediglich Konten erstellen und sich Passwörter zulegen", erklärt Spohn. Er versichert: „Solange ein Arzt sein Passwort nicht herausgibt, kommt niemand an seine Daten heran."

Ein Produkt von Ärzten für Ärzte

Spohns Wunsch, eine Firma zu gründen, regte sich bei einem Wochenendseminar zu Start-ups. Parallel machte das Praktische Jahr den angehenden Arzt mit dem Klinikalltag vertraut: „Da könnte man vieles besser machen." Als größten Makel der modernen Medizin empfindet er den Zeitdruck, den Zehn-Minuten-Takt, in dem Patienten durchgeschleust werden. Dadurch gingen laut Spohn oft Details unter, die wichtig für optimale Behandlungen wären – etwa der subjektive Zustand der Patienten oder komplexe psychische Hintergründe. Spohn glaubte, die Situation digital entspannen zu können. Er schrieb seine Idee nieder und kontaktierte das Gründerbüro der Universität. Unter dessen Anleitung entstand der erste Businessplan.

Beim Businessplan-Wettbewerb „Startinsland" präsentierte Spohn 2105 sein Projekt. Direkt danach sprach ihn Jérôme Meinke an. Mit dem Informatiker kam der zweite Gründer ins Boot. Der 26-Jährige ist heute Entwickler und Technischer Leiter bei Tomes. Im zweiten Anlauf erhielten die beiden ein EXIST-Gründerstipendium. Weil Spohn zunehmend unternehmerische Aufgaben wahrnehmen musste, suchten die Partner lange nach medizinischer Verstärkung. Schließlich fanden sie über Facebook Lilian Rettegi, die Medizinische Leiterin. „Das war eine wichtige Ergänzung", sagt Spohn, „Wir machen nun ein Produkt von Ärzten für Ärzte." Das Team der drei Gründer komplettierte zuletzt noch Start-up-Spezialist Michael Lauk als Gesellschafter.

Die Ausgründung lief reibungslos

Seit Oktober 2016 ist Tomes eine GmbH. „Die Ausgründung hat super geklappt", findet Spohn. Besonders lobt er die gute Unterstützung, die er vom Gründerbüro erhalten habe. Jetzt blickt das Tomes-Team erwartungsvoll in die nahe und fernere Zukunft – erste Anwendertests, Markteinführung und später noch Erweiterungen für Idana: Das Unternehmen will Fragenkataloge für weitere medizinische Fachrichtungen anbieten. Die Cloud erlaubt es Ärzten bereits, untereinander Daten leicht auszutauschen – etwa für Zweitmeinungen. Ähnlich sollen Patienten bald einfache Angaben und Messwerte an Ärzte übermitteln können und sich so manche Praxisbesuche und Anfahrtswege ersparen: „Praktisch wäre das besonders für die Gesundheitsversorgung auf dem Land."

Jürgen Schickinger