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Strategien fürs Sparschwein

Junge Unternehmen brauchen Geld, um sich einen Platz am Markt zu erkämpfen – drei Möglichkeiten, wie sich Start-ups finanzieren können

Freiburg, 05.09.2018

Strategien fürs Sparschwein

Foto: fotofabrik/ Fotolia

Woher nehmen, wenn nicht stehlen? Diese Option kommt für Start-ups sicher nicht in Betracht. Doch den meisten der jungen Unternehmen stellt sich irgendwann die Frage: Woher bekommen wir Geld? Drei Freiburger Start-ups erzählen, wie sie sich finanzieren und berichten von den Vor- und Nachteilen unterschiedlicher Modelle: Die Tomes GmbH hat für ihre Anamnese-Software Idana per Crowdfunding Geld eingeworben. Die cytena GmbH, ein Hersteller von Einzelzelldruckern, hat einen Business Angel als Partner. Die CorTec GmbH baut Mikroelektroden und Neuroimplantate mit finanziellen Beiträgen von so genannten Family Offices, also Vermögensverwaltungen wohlhabender Familien.


Crowdfunding, Business Angels und Vermögensverwaltungen wohlhabender Familien sind drei Modelle, über die sich Freiburger Start-ups finanzieren. Foto: Fotofabrik/Fotolia

Tomes: volle Kontrolle durch Crowdinvesting

Die Tomes GmbH hat Idana, ihre Anamnese-Software für Ärztinnen und Ärzte, zuletzt per Crowfunding oder Crowdinvesting finanziert. „Idana erfasst und dokumentiert die Krankengeschichte von Patientinnen und Patienten beispielsweise vor einem Erstgespräch“, erklärt Geschäftführer Lucas Spohn. Die Patienten füllen einfach elektronische Fragebögen aus, die ihrem Anliegen entsprechen. Zudem passen sich die Bögen an, ja nachdem welche Antworten kommen. Zuletzt stellt die Software die Daten, die sich so ergeben, übersichtlich dar und erledigt damit Routinearbeiten für Ärzte. „Ihnen bleibt mehr Zeit für weitergehende Patientengespräche“, sagt Spohn. Dadurch könnten Diagnosen genauer ausfallen.

Das Konzept gefiel Scouts der Crowdfunding-Plattform Companisto. Sie traten an Spohn und seine Mitstreiter heran: „Die Verwaltung ist dort sehr schlank, und es lassen sich hohe Summen einwerben.“ 500.000 Euro kamen in vier Monaten durch 700 Kleininvestoren zusammen. Sie haben kein Stimmrecht, sodass die Gründerinnen und Gründer die volle Kontrolle über ihr Start-up behalten. Gleichzeitig bildet der Investorenschwarm ein breites Netzwerk von Unterstützerinnen und Unterstützern und verstärkt die Mund-zu-Mund-Propaganda.

„Dafür haben wir allerdings nicht den einen starken Partner, der Wirtschaftexpertise und Engagement mitbringt“, sagt Spohn. Außerdem sind bei der Finanzierung hohe Kosten angefallen, weil Companisto für seine Leistungen und Vermittlung hohe Provisionen erhebt. An der Crowdinvesting-Kampagne hat das Tomes-Team einen Monat gearbeitet – für ein Video, neue Texte und Grafiken. „Ich würde es dennoch wieder machen und es auch anderen Start-ups empfehlen“, betont er. Tomes, Spohns erstes Unternehmen, hat sich vorher mit einem EXIST-Gründerstipendium des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie finanziert und durch einen Business Angel. Für Idana interessieren sich derzeit besonders Kliniken. Die Software deckt vier Fachrichtungen ab: Allgemeinmedizin, Psychiatrie, Kardiologie und Radiologie. Richtig durchstarten soll Idana nun nach einem großen Update der Software und ihrer Inhalte.

Idana


Die Anamnese-Software Idana erledigt Routinearbeiten für Ärzte – dadurch sollen sie mehr Zeit für Patientengespräche haben. Foto: Tomes GmbH

 

cytena: Business Angels sind mit Herzblut bei der Sache

Die cytena GmbH hat konkret nach einem Business Angel gesucht – nach investitionswilligen Privatpersonen. „Wir haben uns für entsprechende Pitching Events beworben“, sagt Benjamin Steimle, der Verantwortliche für die Finanzen. Im Vordergrund stehen dort Kommerzialisierung und Kostenpläne mit exakten Zahlen zu Posten wie Miete, Personal und Geräten. Das müssen die Präsentationen berücksichtigen. Cytena fand einen „Lead“-Investor, der 600.000 Euro investiert hat und einen institutionellen Investor, der 500.000 Euro beisteuerte. Steimle empfiehlt Business Angels – vorausgesetzt die Chemie stimmt. Das ist anfangs nicht immer abzusehen. „Bei uns läuft die Kooperation sehr gut“, freut er sich. Business Angels bringen viele wertvolle Kontakte und Know-how mit. Sie investieren in Fachgebiete, die sie kennen, und zudem das eigene Geld. Darum sind sie mit Herzblut bei der Sache. „Mit dieser Person verheiratet man das Unternehmen“, sagt Steimle. Nicht zuletzt haben Business Angels keine starren Anforderungskataloge wie etwa Risikokapitalgeber.

Cytena stellt Einzelzelldrucker her. Zu jeder einzelnen Zelle liefern die Geräte fünf Fotos. „Anwender können so kontrollieren, dass sie wirklich nur je eine Zelle bearbeiten“, erklärt Steimle. Die neue x.sight-Reihe sortiert und separiert allerlei Typen an Zellen, die anschließend auch noch sehr vital überleben. Sie eignen sich, um reine Zelllinien zu entwickeln. Die dienen oft dazu, Proteine herzustellen, die später als Medikamente in den Handel kommen. Aber auch für individuell angepasste Krebstherapien ist es nötig, einzelne Zellen genetisch zu charakterisieren.

Ein Großunternehmen als strategischen Investor wollten Steimle und seine Kollegen nicht mit ins Boot holen – dafür hätten sie zu viele Freiheiten in der Führung ihres Start-ups abgeben müssen. „Crowdfunding haben wir auch durchgespielt“, erzählt Steimle. Doch um viele Laien schnell von der Idee des Unternehmens zu überzeugen, erschien das cytena-Konzept zu speziell. Dafür konnte das Start-up über öffentlich geförderte Projekte und das Programm EXIST-Forschungstransfer des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie bereits einen siebenstelligen Betrag akquirieren.

cytena GmbH


Die patentierte Technologie erkennt, fotografiert und druckt einzelne Zellen. Foto: Cytena GmbH

 

CorTec: Family Offices für langfristigen Erfolg

Die CorTec GmbH entwickelt Mikroelektroden und aktive Neuroimplantate, die Nervenzellen stimulieren und Zellsignale ableiten können. „Unsere Technologie arbeitet präziser und effizienter als der Standard am Markt“, sagt Dr. Jörn Rickert, Geschäftsführer des Start-ups. Bereits vor Gehirnoperationen kommen die Elektroden zum Einsatz. Mit ihrer Hilfe lässt sich millimetergenau eingrenzen, in welchen Hirnarealen etwas nicht stimmt und an welcher Stelle ein Eingriff stattfinden muss.

Momentan finanziert sich CorTec neben ersten Umsätzen hauptsächlich durch Family Offices. „Das sind Vermögensverwaltungen wohlhabender Familien“, erklärt Rickert. Die Abläufe seien schnell und unkompliziert. Weil Family Offices ihre Beteiligungen vererben können, denken sie meist langfristig. „Sie wollen, dass wir erfolgreich sind.“ In vielen Punkten ähneln sie Business Angels. Allerdings bringen Family Offices häufig kein Netzwerk aus Fachkontakten mit. Das hat CorTec durch seinen Beirat ausgeglichen. Infrage kommen Family Offices laut Rickert für Start-ups, die keine hoch riskanten Projekte verfolgen und bestenfalls schon Umsätze haben. „Das Risikoprofil muss stimmen – und die Chemie“, sagt er. Beziehungspflege sei wichtig und zeitintensiv, weil die Family-Office-Mitglieder selten vom Fach sind.

Die Kontakte bei CorTec kamen über persönliche Verbindungen zustande. „Wir haben viel Glück gehabt“, findet Rickert. Große, strategische Investoren, sagt er, hätten zu viel Unabhängigkeit gekostet. Dagegen erziele Hightech, die noch nicht direkt am Patienten ist, im Crowdfunding kaum hohe Summen. Die letzte Finanzierungsrunde hat CorTec fast sechs Millionen Euro eingebracht. Damit will das Start-up seine Implantat-Technologie „Brain Interchange“ weiter verbessern. „Unser System ist fast bereit für den klinischen Einsatz“, freut sich Jörn Rickert. Er wünscht sich, dass dann neue Therapien für neurologische Erkrankungen entstehen: „Mit den Implantaten sollen etwa schwer gelähmte Patienten wieder kommunizieren können.“

CorTec GmbH


Bereits vor Gehirnoperationen kommen die Elektroden zum Einsatz. Mit ihrer Hilfe lässt sich millimetergenau eingrenzen, in welchen Hirnarealen etwas nicht stimmt und an welcher Stelle ein Eingriff stattfinden muss. Foto: CorTec GmbH

 

Jürgen Schickinger