Artikelaktionen

Sie sind hier: Startseite Online-Magazin erleben & mitmachen Erste Erfahrungen aus dem …

Erste Erfahrungen aus dem Impfzentrum

Thorsten Hammer erklärt, was bislang gut läuft und hofft, dass sein Team bald noch mehr Menschen täglich versorgen kann

Freiburg, 22.01.2021

Dass so etwas einmal nötig sein würde, hat niemand vorhergesehen: Zur Bekämpfung der Corona-Pandemie mussten bundesweit Zentrale Impfzentren aufgebaut werden. Für das Freiburger Zentrum sind Privatdozent Dr. Thorsten Hammer, Katastrophenschutzbeauftragter des Universitätsklinikums Freiburg, und Frank Uekermann, Leiter des städtischen Garten- und Tiefbauamtes, verantwortlich. Auch die Universität Freiburg hilft tatkräftig mit. Claudia Füßler hat mit Thorsten Hammer über die Erfahrungen der ersten Wochen und anstehende Entwicklungen gesprochen.  


Derzeit erhalten etwa 900 Menschen am Tag in Freiburg eine Corona-Schutzimpfung.
Foto: Jürgen Gocke

Herr Hammer, Sie sind der Ärztliche Leiter Operative Notfallmedizin am Universitätsklinikum Freiburg und haben gemeinsam mit Frank Uekermann das Zentrale Impfzentrum Freiburg geplant und realisiert. Wie kam das?

Thorsten Hammer: Wir haben ziemlich schnell gesehen, dass das eine extreme Herausforderung ist, der wir uns stellen wollten. Keiner von uns beiden hat so etwas je gemacht, aber wir sind gut vernetzt, haben Kontakte und vor allem auch Lust darauf. Also sind wir auf unsere jeweiligen Chefs zugegangen und haben grünes Licht bekommen. Ein bisschen Vorerfahrung hatten wir durch das Abstrichzentrum. Wir haben ein DIN-A4-Blatt genommen und dort dessen Umrisse aufgezeichnet. Dann haben wir überlegt, was wir alles brauchen: Einlasskontrolle, medizinischer Check, Registrierung, Information und Aufklärung, dann der ganze Impfprozess und die Nachbeobachtung. Das alles mussten wir so konzipieren, dass es zum einen für eine große Zahl von Menschen ausgelegt ist, zum anderen hatten wir uns an die Corona-Auflagen zu halten: Die Schutzmaßnahmen und Abstandsregeln müssen jederzeit überall eingehalten werden können.

Gab es Punkte, die Ihnen besonders Kopfzerbrechen bereitet haben?

Das Problem der digitalen Weitergabe von Daten beispielsweise. Da hat auch das Gesundheitsministerium bei null angefangen, es gab vorher keine Impfzentren. Wir wussten erst nicht, ob wir uns um eine eigene Lösung bemühen müssen. Dann gab es viele kleine Fragen zu klären: Wie gestalten wir den Dienstplan? Wo bekommen wir Material her? Wer kümmert sich um den Nachschub? Wir haben hier einen enormen Standortvorteil, weil das Universitätsklinikum, die Universität und die Stadt sowohl enorme Kompetenzen haben als auch Hand in Hand arbeiten, wenn es notwendig ist. Und zwar schnell und total unbürokratisch. Das hat dazu geführt, dass das Zentrale Impfzentrum Freiburg jetzt eine Blaupause ist für andere Zentrale Impfzentren und die Kreisimpfzentren, die gerade überall entstehen.    


Thorsten Hammer hat das Freiburger Impfzentrum mit aufgebaut – ihm und seinem Team schlägt viel Dankbarkeit entgegen. Foto: Jürgen Gocke

Wieso läuft das ausgerechnet in Freiburg so gut?

Weil wir demütig und schlauer waren als andere: Wir denken nicht, wir können alles am besten, sondern wir fragen viele andere Leute, die auch Ideen haben, weil sie sich in ihrem Bereich auskennen. Wie baue ich ein Lager? Da haben wir die Logistikerinnen und Logistiker der Universität gefragt. Wie packe ich am besten einen Korb für die Impfkabine? Der Betriebsarzt des Universitätsklinikums hat uns Tipps gegeben. Wie richten wir einen Impftisch ein, an dem der Impfstoff aufbereitet und für die Verimpfung vorbereitet wird? Hier konnten wir auf die Erfahrung unseres Apotheken-Direktors zurückgreifen. Eine gute Idee war unser Simulationstest. Wir haben mit 60 Mimen simuliert, wie der Durchlauf im Impfzentrum aussehen könnte. So haben wir zum Beispiel gesehen, dass die Registrierung zu einer Engstelle werden kann – also haben wir hier die Kabinenzahl noch einmal erhöht. Uns war lieber, dass uns solche Dinge im Testlauf auffallen als dass wir die Türen öffnen und dann feststellen, wo es überall hakt.

Jetzt läuft der Betrieb im Zentralen Impfzentrum seit einigen Wochen – sind Sie zufrieden?

Absolut. Wir impfen zurzeit etwa 900 Menschen täglich, und wir werden 2.000 pro Tag impfen, wenn wir genügend Impfstoff geliefert bekommen. Das ist der große Knackpunkt, gerne würden wir schon jetzt mehr impfen. Aber wir sind bereit für die volle Auslastung. Alle Abläufe und die Wegeführung sind optimiert, so dass hier niemand lange warten muss. Die Messe Freiburg, das Universitätsklinikum, die Stadt und die Universität – es haben wirklich alle einen super Job gemacht, das muss man einfach mal so sagen. Es haben sich auch viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Laboren freiwillig gemeldet, um uns hier zu unterstützen. Wir sind eine bunt gemischte Truppe aus verschiedenen Berufsgruppen und unterschiedlichsten Alters, ohne Titel und Allüren. Wir haben Leute aus anderen Kliniken hier, niedergelassene oder sogar schon pensionierte Kolleginnen und Kollegen – ich mag die Atmosphäre: herzlich, gut gelaunt, jeder und jede packt gerne an.

Können Sie von Ihrem Job im Impfzentrum etwas mitnehmen in die Notaufnahme des Universitätsklinikums?

Gewisse Formen der Organisation und auch der Improvisation lassen sich sicher übertragen, da werde ich mir mit den Kollegen noch einiges genauer anschauen.

Wie wird es im Zentralen Impfzentrum weitergehen in den kommenden Monaten?

Die Zahlen derjenigen, die wir pro Tag impfen, werden sukzessive steigen, bis wir hier unter Volllast fahren können. Gleichzeitig entstehen derzeit überall im Land die Kreisimpfzentren. Das wird uns insofern entlasten, als dass dann die Menschen nicht mehr von ganz so weit her kommen. Derzeit reisen die Leute ja teils vom Hochrhein und dem Bodensee an. Auch unsere mobilen Impfteams werden dann nicht mehr so weit fahren müssen. Vor allem die älteren Menschen werden von den kürzeren Wegen profitieren. Uns schlägt zurzeit sehr viel Dankbarkeit entgegen. Jeder, der sich hier impfen lassen kann, ist froh um diese Möglichkeit – das bekommen wir täglich gesagt.