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Von der Waschtrommel zum Liederbuch

Die Macher einer Ausstellung über Arbeitskultur zeigen ihre Lieblingsstücke

Freiburg, 18.02.2019

Von der Waschtrommel zum Liederbuch

Foto: Klaus Polkowski

Hätte es eine locker formulierte Stellenbeschreibung für die Aufgabe gegeben, wäre sie vielleicht so ausgefallen: „Reise-, wühl- und entdeckungsfreudige Studierende mit Ausdauer gesucht“. Für das Projekt am Institut für Kulturanthropologie, das sich mit dem Wandel von Arbeitskultur beschäftigt hat, war Durchhaltevermögen gefragt. Anderthalb Jahre haben Studierende unter der Leitung von Dr. Matthias Möller zu dem Thema geforscht und dafür verschiedene Sammlungen aufgesucht. Die Ausstellung „Arbeit ist Arbeit ist Arbeit … gesammelt, bewahrt und neu betrachtet“ zeigt bis zum 17. März 2019 die Ergebnisse. Alexander Ochs hat einige der Projektteilnehmerinnen und -teilnehmer gefragt, was ihr Lieblingsstück ist.

Blaue Zeitkapsel: Die Ausstellung zeigt unter anderem eine Handwaschtrommel, die in den 1950er Jahren als Ersatz für eine Waschmaschine diente. Fotos: Klaus Polkowski

 

 

 Matthias Möller: „Die Handwaschtrommel. Ursprünglich hatte ein Tübinger Lehrforschungsprojekt solch eine Trommel für eine Ausstellung 1999 zum so genannten Millennium Bug, einem Computerproblem, erworben. Damals gab es angesichts von Weltuntergangsszenarien, auf die man sich vorbereiten wollte, einen regelrechten Hype um diese Waschtrommeln. Sie stammt aus einer Zeit, als es noch kaum elektrische Waschmaschinen gab – und als Hausarbeit eben noch nicht als Arbeit anerkannt war. Ich finde daran spannend, dass sich die symbolische Bedeutung desselben Gegenstands stark ändern kann: in den 50er Jahren als Ersatz für eine echte Waschmaschine, dann als Reisewaschmaschine mit der Camping-Welle der 60er Jahre, dann im Zusammenhang mit Aussteigertum und der Vorbereitung auf Weltuntergangsszenarien in den 90ern.“

 

 Sophia Schütz: „Bei mir fiel die Wahl auf ein Kinderliederbuch von 1967. Darin geht es um Lieder, die das Thema Arbeit besingen und die auch heute noch gängig sind. Manche der Texte haben sich aber im Laufe der Zeit geändert. Die älteren Textversionen haben es in sich: Gegenüber den heutigen sind sie wesentlich strikter in der Bestrafung von Fehlverhalten, um mal ein Beispiel zu nennen. Da hat sich ein spannender Wandel vollzogen.“

 

 

                                       

 

 

Katharina Löw: „Eines meiner Lieblingsstücke ist eine Audiodatei. Sie enthält ein Interview aus den 50er Jahren, das im Rahmen einer Dialektsammlung geführt wurde. Ein Bauer erzählt darin von seiner Arbeit auf dem Feld, auch mit Nutztieren. Damals kam der Traktor auf. Dafür, so erzählt der Mann, mussten allerdings erst einmal weitere Tiere angeschafft werden, um deren Milch zu verkaufen und so Geld für den Kauf des Fahrzeugs zu haben. Der Traktor hat das Tier allerdings nicht einfach abgelöst, sondern es ist ein Wechsel- und Zusammenspiel von beiden. Daneben gibt es vier Bilder aus der Sammlung des Fotografen Alwin Tölle, die mir sehr gut gefallen und die die Arbeit mit Tier und Maschine zeigen.“

 

 

 Catharina Rische: „Ich habe eine Coverillustration eines Schlagerlieds aus den 1920er Jahren gewählt. Abgebildet ist eine Frau mit Schreibmaschine, vielleicht Stenotypistin oder Sekretärin, dahinter fünf Männer im Anzug mit anzüglichem Blick. Daneben steht: „Die Blanka, ja die Blanka“, und im Text des Lieds heißt es dann: „vorne üppig, hinten schlank“. Die Frau trägt einen modischen Kurzhaarschnitt und viel Schmuck, sie zeigt viel Haut für die damalige Zeit. In dem Lied geht es auch um sexualisierte Grenzüberschreitungen am Arbeitsplatz. Damals war das keine große Sache; es wurde zwar im Schlager behandelt, aber heute mit der #MeToo-Debatte ist man da viel sensibler geworden. Mich interessiert der affektive und sexualisierte Aspekt der Arbeit.“

 

 

Nadja Harm: „Ich habe mir eine Fotografie ausgesucht, die Frauen bei der Weinlese zeigt. Sie ernten allerdings keine Trauben. Vielmehr sitzen sie auf einer Mauer, tratschen und baumeln mit den Füßen. Sie essen die Trauben und auch ihr Vesperbrot, sie machen also Pause. Die Frage ist für mich: Was verrät uns das Unterbrechen der Arbeit über das Arbeiten selbst? Wer macht wie und wann Pause, gerade in der Landarbeit? Die Fotografie zeigt nur Frauen und transportiert damit auch einen gewissen Gender-Aspekt, nämlich die ‚gegenderte‘ Form der Pause. In der Ausstellung gibt es mehr Fotografien mit Männern. Doch hier sieht man, dass Frauen eine vollwertige Arbeitskraft in den Reben waren.

 

 

 

 Femke de Kort: „Ich habe die NS-Frauenwarte analysiert, eine nationalsozialistische Frauenzeitschrift. Ich habe mir angeschaut, wie darin weibliche Arbeit propagiert wird. Ich hatte mich zuvor schon mit Rechtsextremismus und -populismus beschäftigt, allerdings gegenwartsbezogen. Diesmal bin ich historisch an das Thema herangegangen. Als wir zum ersten Mal in der Außenstelle des Badischen Landesmuseums in Staufen waren, hat mich das Cover direkt angesprochen. Ich fand es interessant, Bilder, sprachliche Eigenschaften sowie Ideologien zu erforschen, die es tragischerweise auch heute noch gibt.“

 

       

 

Ausstellung besichtigen

Die Ausstellung „Arbeit ist Arbeit ist Arbeit ist … gesammelt, bewahrt und neu betrachtet“ ist bis zum 17. März 2019 in der Galerie im Weingut Andreas Dilger, Urachstraße 3, 79102 Freiburg zu sehen. Die Öffnungszeiten sind Mittwoch und Donnerstag 16 bis 19 Uhr, Freitag 16 bis 21 Uhr sowie Samstag und Sonntag 12 bis 17 Uhr. Am 24. Februar sowie am 10. und 17. März bietet das Team jeweils um 15 Uhr eine Führung an. Der Eintritt ist frei.

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