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Die Spukforschung erforschen

Anna Lux hat untersucht, wie Hans Bender und die umstrittene Parapsychologie in der medialen Öffentlichkeit wahrgenommen wurden

Freiburg, 12.03.2021

Vor 51 Jahren gründete Prof. Dr. Hans Bender das Freiburger Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene (IGPP). Das private Institut untersucht sogenannte paranormale Phänomene wie Spuk, Hellsehen oder Telepathie. Parallel dazu lehrte Bender als Professor an der Albert-Ludwigs-Universität. Bender, der vor 30 Jahren starb, avancierte in den 1970er Jahren auch zu einem Medienstar: Ganz Deutschland kannte ihn aus dem Fernsehen und aus auflagenstarken Zeitungen. Die Freiburger Historikerin Dr. Anna Lux hat über die Geschichte der Parapsychologie und ihren wichtigsten Vertreter geforscht. Anita Rüffer hat mit ihr über ihr kürzlich erschienenes Buch gesprochen. Darin zeichnet Lux Debatten rund um die Grenzlinien zwischen Wissenschaft und Pseudowissenschaft nach und erklärt, wie die umstrittene Parapsychologie in der Öffentlichkeit an Legitimität gewinnen konnte – und sie wieder verlor.


Hans Bender ließ ein Gerät entwickeln, den so genannten Psi-Recorder 70, mit dem er außersinnliche Phänomene wissenschaftlich untersuchen wollte. Foto: Leif Geiges/Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene

Frau Lux, die Parapsychologie erforscht Phänomene wie etwa Geistererscheinungen, Wahrträume oder Telepathie. Warum wollten Sie sich mit Dingen beschäftigen, deren Existenz von vielen bestritten wird?

Anna Lux: Die Parapsychologie ist eine Grenzdisziplin, und genau das hat mich gereizt: Wissenschaftsgeschichte von ihrem Rand her zu erforschen statt in den etablierten Fächern. Ich habe gegenüber der Parapsychologie weder Berührungsängste noch ein Anliegen.

Sie pendeln seit einigen Jahren zwischen Ihrem Wohnort Leipzig und Freiburg. Stellen Sie mit Blick auf die Parapsychologie Unterschiede zwischen beiden Städten fest?

Sehr deutliche sogar. Leipzig liegt bekanntlich im Osten des Landes, und die DDR zählte zu den am stärksten säkularisierten Ländern der Welt, in der auch alles Okkulte bekämpft wurde. Als ich nach Freiburg kam, war ich erstaunt über das breit verankerte Interesse in der Bevölkerung an Hans Bender und der Parapsychologie. In einem Seminar mit Studierenden haben wir uns mit dem Okkulten in der Freiburger Stadtgeschichte beschäftigt und eine Stadtführung dazu entwickelt. Es kamen insgesamt etwa 100 Interessierte. Es ist spannend, herauszufinden, wie es zu diesem Spagat zwischen wissenschaftlicher Verankerung des Fachs in der Universität und seiner Breitenwirkung kommen konnte.

Könnte man sagen, dass dank Hans Bender die wissenschaftlichen Wurzeln der Parapsychologie in Freiburg liegen?

Bender hat nicht bei null angefangen. Schon im späten 19. Jahrhundert setzte in England, wo der Spiritismus sehr populär war, die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema ein. An der Duke University in North Carolina/USA gab es in den 1930er Jahren Experimente mit quantitativ-statistischen Methoden, die Ergebnisse erbrachten, die als bemerkenswert beurteilt wurden. Das verschaffte dem Forschungsfeld einen Legitimationsschub und war auch eine wichtige Voraussetzung dafür, dass Bender 1950 in Freiburg sein privates Institut gründen konnte.


„Ausgesprochen modern und innovativ bei Hans Bender war, dass er nicht davor zurückscheute, eher ‚seichte‘ Medien zu nutzen“, sagt Anna Lux über die starke mediale Präsenz des Parapsychologen. Foto: Jürgen Gocke

Ihm gelang es, die Parapsychologie sogar an der Universität Freiburg zu verankern. 1954 wurde eine Professur für Grenzgebiete der Psychologie eingerichtet, einige Jahre später eine eigene Abteilung als Teil des Psychologischen Instituts geschaffen. Was bedeutete das für das Fach?

Hans Bender war kein Außenseiter, sondern ein anerkannter Wissenschaftler mit allen akademischen Weihen und ein sehr guter Netzwerker. Sein Anliegen war es, die Themen der Parapsychologie wissenschaftlich zu erklären, statt sie „nur“ religiös zu deuten oder von vornherein als Krankheit, Wahn oder Betrug abzutun. Für ihn waren sie das Ergebnis psychischer Fähigkeiten. Er wollte ihnen einen Raum geben, der ernst genommen wird. Dies war aus seiner Sicht die Universität. Die Phänomene wollte er damit enttabuisieren – auch im Sinne der Menschen, die entsprechende Erfahrungen gemacht haben. Die könne man ihnen nicht einfach absprechen. Die Verankerung der Parapsychologie an der Universität bedeutete, dass Strukturen aufgebaut, Erkenntnisse gesichert und Mittel eingeworben werden konnten. Bender war ein brillanter Wissenschaftsorganisator. Das war auch attraktiv für die Universität. Die Parapsychologie wurde sonst nirgends gelehrt und war somit ein Alleinstellungsmerkmal.

Hans Bender war auch in den Medien sehr präsent. Wie ist er vorgegangen?

Er hat die Öffentlichkeit auch über Massenmedien gesucht. Es gab zum Beispiel eine Interviewreihe mit der Bild-Zeitung. Illustrierte fragten an. Bender trat in dem in den 1950er Jahren noch jungen Medium Fernsehen auf. Im Radio gab es Beratungssendungen. Er hielt also keineswegs nur akademische Professorenvorträge, sondern suchte den Dialog mit der Bevölkerung, die an solchen Themen sehr interessiert war und die er dazu aufforderte, ihre Erfahrungen einzubringen. Die konnten als Forschungsmaterial genutzt werden.

War Bender also eine Art Pionier der Wissenschaftsvermittlung?

Schon im 19. Jahrhundert gab es Formen der Wissenschaftspopularisierung. Ausgesprochen modern und innovativ bei Hans Bender war, dass er nicht davor zurückscheute, eher „seichte“ Medien zu nutzen, um sein Thema sichtbarer zu machen und viele Menschen zu erreichen. Dabei gelang es ihm sehr gut, sich dem jeweiligen Medium anzupassen.


Rosenheim, 1967: Hans Bender besuchte Menschen, die von außersinnlichen Erfrahrungen berichteten. Hier blickt eine Frau zur Deckenlampe, die ihren Aussagen zufolge von alleine zu schwingen anfing. Foto: Leif Geiges/Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene

Seit 1998 existiert die Professur für Grenzgebiete der Psychologie nicht mehr an der Universität Freiburg. Endete Hans Benders Weg letztlich in einer Sackgasse?

Ich würde eher von einer Streckenunterbrechung sprechen. Aber ja: Sein Anliegen, die Parapsychologie an der Universität zu verankern, kann in dieser Form als gescheitert angesehen werden. Die Geschichte der Parapsychologie ist immer auch eine Geschichte ihrer Kontroversen. Mitte der 1970er Jahre gewannen kritische und skeptische Stimmen mehr und mehr an Einfluss. Eine wichtige Rolle spielte der berühmte Löffel-Verbieger und Magier Uri Geller, der auch in der Parapsychologie sehr kontrovers diskutiert wurde. Hinzu kamen Betrugsskandale innerhalb des Fachs. Wissenschaftler und Institutionen sowie etablierte Medien distanzierten sich verstärkt von der Parapsychologie. Das Aufkommen des New Age mit ähnlichen Themen, die aber gänzlich anders interpretiert wurden, verschärfte die Konflikte. Die Parapsychologie erlitt also einen Legitimations- und Glaubwürdigkeitsverlust.

Was bleibt?

Das private Forschungsinstitut IGPP existiert bis heute und ist nicht zuletzt aufgrund seiner beeindruckenden Spezialbibliothek inzwischen weltweit eines der größten seiner Art. Zur Universität gibt es nach wie vor Verbindungen. Der Status der Parapsychologie als Grenzwissenschaft ist geblieben ebenso wie das große Interesse an ihren Themen.