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Basiswissen vermitteln, Interessierte vernetzen

Eine neu entwickelte App soll alle gründungsrelevanten Informationen bündeln und die Start-up-Kultur fördern

Freiburg, 02.03.2018

Basiswissen vermitteln, Interessierte vernetzen

Foto: deagreez/fotolia

Wer mit einem Start-up den Schritt in die berufliche Selbstständigkeit wagen will, braucht eine gute Geschäftsidee – doch die Idee allein reicht nicht aus. Für Gründungsinteressierte, die keinen juristischen oder betriebswirtschaftlichen Hintergrund mitbringen, scheinen die Hürden besonders hoch zu sein. Welche Rechtsform sollte das Unternehmen haben? Wie lässt sich eine Erfindung patentieren? Welche Finanzierungsmöglichkeiten gibt es, und was ist steuerlich zu beachten? Ein interdisziplinäres Team der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg will hier Antworten geben: Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler entwickeln eine App, die gründungsrelevantes Basiswissen vermittelt und Gründungsinteressierte miteinander vernetzt.

Erfinder, Kaufleute und Juristen an einen Tisch bringen: Ein erfolgreiches Start-up erfordert Kenntnisse aus unterschiedlichen Disziplinen. Eine App soll Gründern helfen, die passenden Mitstreiter zu finden. Foto: deagreez/fotolia

„Wir wollen eine App bieten, die möglichst alle relevanten Informationen umfasst und mit der alle arbeiten können – unabhängig vom fachlichen Hintergrund“, erläutert Wolfgang Kessler, Professor für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, der gemeinsam mit seinem Mitarbeiter Dominik Probst bei der Entwicklung federführend ist. Im Sommersemester 2017 haben die beiden ein Seminar veranstaltet, in dem die Studierenden jeweils zwei Wiki-Beiträge verfasst haben. Das Wiki soll in der App als Nachschlagewerk dienen, mit dem sich die Nutzerinnen und Nutzer wichtiges Grundwissen aneignen können. Die Themen reichen dabei von „Geschäftsideen finden“ und „Businessplan“ über „Buchhaltung“, „Steuern“ und „Risikomanagement“ bis hin zu „Crowdfunding“ oder „Gründerzentren“. „Die Vorschläge kamen zum Teil von den Studierenden selbst“, berichtet Probst. „Ziel war es, das zu behandeln, was die Studierenden interessiert, und die Themen allgemein verständlich aufzubereiten.“

Außerdem haben die Studierenden Fragen für einen Lerntest erstellt. Dieser bezieht sich auf eine zehnteilige Videovorlesung, die ebenfalls in die App integriert wird. Die Vorlesung ist Bestandteil des Kurses „Entrepreneurship – rechtliche und betriebswirtschaftliche Fragestellungen zur Unternehmensgründung“, den Kessler und sein Team am Zentrum für Schlüsselqualifikationen (ZfS) der Universität Freiburg für Studierende aller Fachrichtungen anbieten. „In den Videos referieren erfahrene Kolleginnen und Kollegen, Gründerinnen und Gründer sowie Persönlichkeiten in leitenden Positionen von Unternehmen. Für das Thema Marketing haben wir beispielsweise den ehemaligen Marketingvorstand eines weltweit agierenden Verlagshauses gewonnen“, sagt Kessler. Mit den Multiple-Choice-Fragen können die Nutzer der App, die sich die Videos angeschaut haben, ihren Lernfortschritt überprüfen.

Gründung simulieren

Weiteres Basiswissen steuert zudem ein Kollege bei: Boris Paal, Professor für Zivil- und Wirtschaftsrecht, Medien- und Informationsrecht, verfolgt den Ansatz, junge Gründer möglichst in ihrer Lebenssituation abzuholen. „Wir stellen uns einen Gründer vor, der eine gute Idee hat, und arbeiten uns sodann durch die einzelnen rechtlichen Schritte, indem wir eine Gründung simulieren.“ Die Inhalte schöpft er zum einen aus regulären Lehrveranstaltungen in der Rechtswissenschaft, etwa zum Handels- und Gesellschaftsrecht, zum anderen engagiert er sich seit dem Wintersemester 2017/18 mit Zusatzveranstaltungen wie etwa Workshops und Vorträgen sowie einer Beteiligung am ZfS-Kurs zum Thema „Entrepreneurship“ für Studierende aller Fachrichtungen.

Wichtige Informationen zum Thema „Gründen“ sind immer und überall verfügbar – die mobile Anwendung macht es möglich. Foto: vege/fotolia

Am Anfang der Simulation steht die Frage, wie sich eine Erfindung schützen lässt, worauf das Patent- und das Markenrecht eine Antwort geben. Zentral ist dann, die passende Rechtsform für das Unternehmen zu finden – verbunden mit der Frage: Haftet der Gründer persönlich und mit dem eigenen Vermögen, oder gibt es Möglichkeiten der Haftungsbeschränkung? Anschließend folgen alle Fragen rund um die Kommerzialisierung der Idee, unter anderem: Wie kommt der Gründer an eine Finanzierung, welche Sicherheiten wollen Banken dafür haben, und wie kann er Partner in sein Start-up aufnehmen? „So bekommen wir in der App eine To-do-Liste mit allen rechtlich wichtigen Punkten, die in der Gründungsphase zu klären sind“, sagt Paal. „Wir wollen Ängste und Sorgen abbauen, indem wir zeigen: Mit juristischem Handwerkszeug ist alles gut zu bewältigen.“

Fördermöglichkeiten überblicken

Wesentliche Informationen erhalten die Nutzer der App zudem in einer Datenbank, die Informations- und Fördermöglichkeiten aufzeigt und die entsprechenden Websites verlinkt. „Wir stehen vor einem Dschungel von Initiativen, der für Gründungsinteressierte oft unübersichtlich ist“, sagt Kessler. „Schon allein an der Universität Freiburg beschäftigen sich viele Institutionen und Personen mit dem Thema Gründung – und es gibt jede Menge spezielle Förderformate, beispielsweise für Start-ups unterschiedlicher Branchen. Die Datenbank soll dabei helfen, sich einen Überblick zu verschaffen.“ Eine weitere Informationsquelle werden Berichte erfolgreicher Gründer sein, die ihre Erfahrungen weitergeben, wertvolle Tipps bereithalten, vor Fehlern warnen und zum Schritt in die Selbstständigkeit ermutigen.

Darüber hinaus soll die App dabei helfen, Gleichgesinnte zu finden – mithilfe einer Stellenbörse, die vor allem den Austausch zwischen unterschiedlichen Disziplinen fördern soll. „Eine typische Situation ist beispielsweise, dass eine Studentin oder ein Student der Technischen Fakultät ein neuartiges technisches Verfahren entwickelt hat, dann aber Unterstützung von Kommilitoninnen und Kommilitonen aus den Rechts- und Wirtschaftswissenschaften benötigt, die sich beispielsweise mit Patentrecht auskennen oder wissen, wie eine Marktanalyse funktioniert“, sagt Probst. Über Gebote und Gesuche können Gründungsinteressierte in der Stellenbörse zusammenfinden. Hier kommen zudem die „Freiburg Legal Clinics“ ins Spiel: Dieses Ausbildungsprogramm unter Paals Federführung ermöglicht es Jurastudierenden, anderen Studierenden eine kostenlose Rechtsberatung zu geben. „Wir haben eine eigene Säule zum Thema Gründungsberatung aufgesetzt, und die Studierenden, die sich hier engagieren, sind stark daran interessiert, ihre Expertise fruchtbar zu machen und weiterzugeben.“

Inhalte weiterentwickeln

Die redaktionelle Arbeit und die Programmierung laufen: Die App soll für die Betriebssysteme Android und iOS kostenlos verfügbar sein und im zweiten Quartal 2018 erscheinen. Die weitere Pflege wird anschließend das Gründerbüro der Universität Freiburg übernehmen. Dabei wird es möglich sein, Beiträge zu überarbeiten und auch neue hinzuzufügen. „Die gründungsrelevanten Rechtsgebiete entwickeln sich dynamisch, und entsprechend wichtig ist es, die Inhalte aktuell zu halten“, sagt Kessler. Die Entwicklung der App erfolgt innerhalb des Projekts „Zugänge zum Gründen – Gründerkultur erlernen, erleben, entwickeln“ der Universität Freiburg, finanziert vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg mit 600.000 Euro. „Ich begrüße es sehr, dass Förderprogramme von Bund und Land dem Gründungsthema derzeit Rückenwind verleihen“, sagt Paal. „Wir sind in Freiburg auf einem ausgezeichneten Weg, die Start-up-Kultur zu fördern.“

Nicolas Scherger

www.gruenden.uni-freiburg.de