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Asymmetrien beseitigen

Das „Maria Sibylla Merian Institute for Advanced Studies in Africa“ an der University of Ghana ist eröffnet

Freiburg, 09.10.2018

Asymmetrien beseitigen

Fotos: Ingeborg Lehmann, Montage: Kathrin Jachmann

In Accra, der Hauptstadt von Ghana, fand Ende September 2018 die Eröffnungskonferenz des „Maria Sibylla Merian Institute for Advanced Studies in Africa” (MIASA) statt. Das neue Institut ist ein Treffpunkt für Forscherinnen und Forscher aus Deutschland, Afrika und der ganzen Welt, die dort zum Thema „nachhaltiges Regieren“ arbeiten. In der Anfangsphase vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert, arbeiten bei MIASA viele renommierte Institutionen zusammen. Die Koordination übernehmen das Freiburg Institute for Advanced Studies (FRIAS) sowie das Arnold-Bergstraesser-Institut (ABI). Mathias Heybrock hat ABI-Direktor Prof. Dr. Andreas Mehler nach dessen Eindrücken aus Accra gefragt.

Gleichberechtigte Kooperation zwischen Deutschland und Afrika – mit diesem Ziel hat das neue Institut an der Universität Ghana seine Arbeit aufgenommen.
Fotos: Ingeborg Lehmann, Montage: Kathrin Jachmann

 

Herr Mehler, Sie kommen gerade von der MIASA-Eröffnungskonferenz zurück. Wie war’s?                  

Andreas Mehler: Sehr schön. Ermutigend. Wir hatten mit dieser Konferenz die Gelegenheit, unseren Forschungsansatz einmal öffentlich darzulegen. Und wenn man dazu die richtigen Leute hat, und die hatten wir, wird das eine profunde Unternehmung.

Wer hat denn gesprochen?

Zum Beispiel Francis Nyamnjoh, Inhaber des wichtigsten afrikanischen Lehrstuhls für Ethnologie. Er sprach über „Incompleteness“, die Unvollkommenheit. Für Akademikerinnen und Akademiker ist das oft noch ein ungewöhnlicher Gedanke – jeder glaubt, er selbst sei der Nabel der Welt. Nyamnjoh findet dagegen: Nur durch Zusammenarbeit wird man vollständig. Das berührt genau unsere Agenda: Zwischen Deutschland und Afrika eine andere Form der Kooperation hinzukriegen, als es bislang der Fall war.

Wie war es bislang?

Die Impulse und das Geld kommen aus dem Norden, meistens auch die Konzeption. Und dann sucht man sich vor Ort einen Partner, mit dem man das zusammen macht. Natürlich reden auch dann alle von Gleichberechtigung und wünschen sie sich auch zutiefst. Aber eigentlich ist sie in solch einem Modell nicht mehr zu haben – das Ungleichgewicht ist einfach zu groß.

Das sind die Asymmetrien, die MIASA beseitigen soll?

Asymmetrien gab es auf vielen Ebenen und es gibt sie auch immer noch. Zuweilen ist es auch so, dass die Gleichberechtigung von afrikanischer Seite gar nicht vehement gefordert wird. Unsere Begeisterung für die Universität Ghana rührte auch daher, dass sie gleichberechtigt sein wollte.

Wie sah das aus?

Sie hat sehr selbstbewusst ihre Ziele formuliert. Sie hat deutlich gemacht, dass sie das Institut wirklich will – über den Zeitraum der finanziellen Förderung durch das BMBF hinaus. Sie hat daher den ziemlich komplizierten bürokratischen Akt auf sich genommen, das MIASA zu einem vollwertigen Institut der Universität Ghana zu machen. Wir sind dort also nicht einfach nur ein zeitlich begrenztes „Projekt“.

Bei der Eröffnungskonferenz an der Universität Ghana hat das „Maria Sibylla Merian Institute for Advanced Studies in Africa” seinen Forschungsansatz öffentlich vorgestellt.
Foto: Annika Hampel

 

Warum steht das MIASA in Ghana?

Einerseits, weil die Universität, aber auch die Regierung dieses Institut eben wirklich wollten. Man sah das schon am Protokoll der Eröffnungskonferenz: Alle zentralen Leute waren da und sprachen, bis hin zum Minister für Hochschulbildung.

Können Sie Ghana in ein paar Stichworten charakterisieren?

Ghana ist eine Demokratie, das hat das Land durch Wahlen mit Amtswechseln wiederholt nachgewiesen. Das war für uns ebenfalls ein Grund, dorthin zu gehen: Die Freiheit der Lehre und Forschung ist gewährleistet. Die Sicherheitslage ist ebenfalls gut – wir wollen die Forscherinnen und Forscher ja guten Gewissens dort hinschicken. Und: Wir müssen diesen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern auch was bieten. So ein Institut steht ja durchaus im globalen Wettbewerb.

Was bietet Ghana also?

Die Universität Ghana hat sehr gute Einrichtungen, zum Beispiel ein Centre for Migration Studies, mit dem wir eng zusammenarbeiten. Und Migration ist eines der zentralen Themen der Zeit – nicht nur für uns, sondern auch für Afrika.

Warum?

Unter anderem, weil Afrika selbst von Migration betroffen ist: Ein Großteil der Menschenströme bewegt sich innerafrikanisch, nur ein kleiner kommt nach Europa. Lange vor dem, was wir seit 2015 als Migrationskrise erleben, haben Forscher an der Universität Ghana sich Gedanken über Migration gemacht. Am MIASA wird ab Januar 2019 eine Gruppe von Forschungsstipendiatinnen und -stipendiaten über dieses Thema arbeiten.

Welches Interesse hat Deutschland an einem solchen Institut?

Vernetzung mit internationalen Spitzenkräften, Glanz und auch Reputation, die einen in Zukunft dann noch attraktiver für weitere Partner macht. Auf den ersten Blick ist das Eliten-Förderung, klar.

Und auf den zweiten?

Da wirken wir auch in die Breite. Die MIASA-Fellows werden öffentliche Vorlesungen halten, werden Doktorandinnen und Doktoranden beraten. Sie wirken in die Universität Ghana hinein. Das finde ich extrem wichtig. Dass da Austausch stattfindet. Der wird uns extrem nützen.

Wie denn?

Unsere bisherigen Ansätze erlebe ich zuweilen als limitiert. Zum Beispiel glauben viele, es reiche, einem afrikanischen Politiker Geld zu geben, damit er Migration „abstellt“. Aber man sollte schon etwas genauer hinschauen, auf lokale Gegebenheiten, lokale Akteurinnen und Akteure.

„Ich freue mich beinahe darauf, dass wir aus dem Norden auch mal eine vor den Latz geknallt bekommen“, sagt Andreas Mehler, Direktor des Arnold-Bergstraesser-Instituts sowie Professor für Entwicklungstheorien und Entwicklungspolitik an der Universität Freiburg.
Foto: Patrick Seeger

Haben Sie eine Erwartung?

Ich freue mich beinahe darauf, dass wir aus dem Norden auch mal eine vor den Latz geknallt bekommen, dass unsere Gewissheiten erschüttert werden. Die Suche nach gemeinsam erarbeiteten Lösungen, die wirklich tragen, wird das nur befeuern. Und die sind das Ziel des Institutes.

 

Hintergrundinformationen

Mit den Internationalen Forschungskollegs „Maria Sibylla Merian Centres“ will das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) die Internationalisierung der Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften in Deutschland durch enge bi- und multilaterale Kooperationsprojekte an Standorten außerhalb Deutschlands voranbringen. In wissenschaftlich und wissenschaftspolitisch wichtigen Regionen und Partnerländern in Asien, Lateinamerika und Afrika entstehen Kollegs, an denen eine Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Deutschland und dem Gastland gemeinschaftlich zu geistes- und sozialwissenschaftlichen Themen forscht und dazu regelmäßig Fellows einlädt. Die Kollegs werden in Partnerschaften mit deutschen Wissenschaftseinrichtungen aufgebaut und betrieben.

Deutsche Partner des MIASA sind die Universität Freiburg mit dem FRIAS und dem ABI, das Deutsche Historische Institut Paris als Mitglied der Max-Weber-Stiftung, das German Institute of Global and Area Studies (GIGA) in Hamburg, die Universität Konstanz und das Zentrum für Interdisziplinäre Afrika-Forschung (ZIAF) an der Universität Frankfurt. Das BMBF fördert das Zentrum zunächst in einer Vorbereitungsphase bis Ende 2020 mit 1,7 Millionen Euro. Über den erwarteten Förderzeitraum von zwölf Jahren wird die Gesamtförderung bis zu 18 Millionen Euro betragen.

Website des MIASA

 

 

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