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Die Perspektiven des Tenure Track

Eine deutschlandweite Tagung thematisiert die Frage, ob sich das Karrieremodell für junge Forschende in der wissenschaftlichen Community durchgesetzt hat

Freiburg, 16.09.2020

Zehn von elf Fakultäten haben mindestens eine Tenure-Track-Stelle vorzuweisen: Die Universität Freiburg hat schon früh auf das Modell gesetzt. Die Tenure-Track-Professur verspricht jungen Akademikerinnen und Akademikern eine verlässliche berufliche Perspektive – und das schon am Anfang ihrer Karriere. Handelt es sich bei dem Modell um ein Erfolgskonzept? Findet es Anklang in der akademischen Community, und kann es auch im internationalen Wettbewerb um die besten Köpfe überzeugen? Diese Fragen stehen im Mittelpunkt der Tagung „Die Tenure-Track-Professur – Impulsgeberin für das deutsche Wissenschaftssystem“, die die Universitäten Freiburg im Verbund mit Partnern ausrichtet. Rimma Gerenstein hat Rektor Prof. Dr. Hans-Jochen Schiewer gefragt, was er sich von dem zweitägigen Kongress verspricht.

Viele Akademikerinnen verlassen nach der Promotion die Wissenschaft. Die Tenure-Track-Professur könnte das verhindern, indem sie hervorragenden Forscherinnen schon früh eine verlässliche Karriereperspektive bietet. Foto: András Wekler

Herr Schiewer, was ist der Anlass für die deutschlandweite Tagung?

Hans-Jochen Schiewer: Wir wollen ein Resümee ziehen, ein Zwischenfazit, könnte man sagen. Es ist nun vier Jahre her, dass der Bund und die Länder 1.000 Tenure-Track-Stellen in ganz Deutschland ausgeschrieben haben. Die Universität Freiburg konnte davon 19 Professuren einwerben. Die Besetzung der ersten Kohorte ist weit fortgeschritten, wir reden von etwa 500 Stellen bundesweit. Bei der Tagung wollen wir die Frage thematisieren, wie es gelingen kann, den Tenure Track im deutschen Wissenschaftssystem zu verankern. Wie gut funktioniert das Programm? Wie wohl fühlen sich die darauf berufenen Kandidatinnen und Kandidaten? Wo gibt es gute Effekte, wo sind Defizite und Probleme? Dass die Zeit für diese Diskussion reif ist, zeigt sich auch daran, dass sich das Bundesministerium für Bildung und Forschung an dem Kongress beteiligt und uns finanziell unterstützt.

Die Universität Freiburg hat schon vor dem Bund-Länder-Programm auf die Tenure-Track-Professur gesetzt. Warum?

Schon im ersten Antrag im Rahmen der Exzellenzinitiative spielte dieses Modell bei uns eine Rolle. Wir haben erkannt, dass die Tenure-Track-Professur ein wichtiges, neues Instrument zur Förderung von jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ist. Sie ist ein Innovationsmotor für die weitere Entwicklung der Universität und somit ein Baustein für die Zukunft.

Wie funktioniert dieser Motor?

Mit dem Tenure Track können Fakultäten und Hochschulleitung viel früher als bei einer Regelbesetzung neue Forschungsprofile auf den Weg bringen. Konkret bedeutet das: Wir können umsteuern, wo es notwendig ist; wir können auf neue Ansätze, Theorien und Methoden umschalten. Wenn äußerst vielversprechende junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit einer eigenen Forschungsgruppe zu uns kommen, bietet ihnen der Tenure Track eine Perspektive, die bis zur Professur führt – und das schon in einer frühen Karrierephase. Somit haben wir die Möglichkeit, gerade Frauen in der Wissenschaft zu halten. Es ist immer noch so, dass wir viele hervorragende Forscherinnen nach der Promotion verlieren. Bei den 17 Tenure-Track-Stellen, die wir derzeit in Freiburg haben, sind sieben Frauen dabei. Es ist nicht ganz ausbalanciert, zeigt aber ein deutlich besseres Verhältnis als bei den Berufungen auf die W3-Professuren. Diesen ermutigenden Trend will ich weiter fördern.

Hans-Jochen Schiewer betont, dass es sich beim Tenure Track um ein Programm für junge Forschende ohne Habilitation handle: „Es ist kein Modell für eine Bestenauslese über alle Karrierestufen hinweg.“ Foto: Silvia Wolf

Bewährt sich der Tenure Track auch im internationalen Wettbewerb?

Eindeutig. Ein guter Teil der Tenure-Track-Professuren ist mit Wissenschaftlern besetzt, die wir von Forschungseinrichtungen aus dem Ausland abgeworben haben. Oftmals sind das Deutsche, für die es besonders attraktiv ist, hier zu arbeiten. Wir haben zum Beispiel jüngst eine herausragende Wissenschaftlerin aus Princeton berufen, und sie hat auch gleich eine eigene Forschungsgruppe mitgebracht.

Ist das Modell für alle Disziplinen gleich attraktiv?

Es gibt Unterschiede in den Fächerkulturen. In unseren Exzellenzclustern auf dem Gebiet der Lebenswissenschaften oder Materialwissenschaften sehen wir, dass die Tenure-Track-Professur sehr gezielt eingesetzt wird, um die passenden Leute zu rekrutieren. Auf der anderen Seite gibt es auch Bereiche, wo das Modell mit einer gewissen Zurückhaltung betrachtet wird. In den Geisteswissenschaften zum Beispiel besteht die Sorge, dass man das Potenzial einer Person in einer so frühen Karrierephase noch nicht richtig einschätzen kann. Dort ist es weit verbreitet, erst einmal die Habilitationsphase abzuwarten. Außerdem beobachte ich noch einen weiteren Aspekt: Nicht alle Fächer haben begriffen, dass es bei dem Tenure Track um eine spezielle Kohorte geht. Es ist kein Modell für eine Bestenauslese über alle Karrierestufen hinweg, sondern explizit für junge Forschende, die sich noch nicht habilitiert haben. Ich finde, hier müssen wir noch an der Kultur innerhalb der Universität arbeiten.

Könnten weitere Förderungen von Bund und Ländern dafür sorgen, dass sich die Tenure-Track-Professur als Karrieremodell für wissenschaftlichen Nachwuchs durchsetzt?

Es ist immer hilfreich, mit Anreizen zu arbeiten. Diese Incentives haben wir jetzt gesetzt: Mit der Förderung des Bund-Länder-Programms können wir über einen Zeitraum von acht Jahren jede Stelle mit circa 825.000 Euro ausstatten. Das macht den Tenure Track für Fakultäten durchaus attraktiv, und wir müssen ihnen auch klarmachen, dass sie damit nichts verlieren. Wer eine Tenure-Track-Stelle bekommt, muss keine Ressourcen an den zentralen Haushalt abgeben. Zehn von elf Fakultäten haben bei uns Tenure-Track-Professuren. Die Erfahrungen, die wir damit gemacht haben, sind sehr gut. Nun müssen wir das noch mehr im Bewusstsein der wissenschaftlichen Community verankern.

Digitale Tagung

Die Universitäten Freiburg und Jena richten die Tagung, die am 29. und 30. September 2020 in Berlin stattfindet, gemeinsam mit den Universitäten Mainz, Frankfurt und Hannover aus. Unterstützt werden sie dabei von dem Hochschulverbund German U15 sowie vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. Die Tagung findet überwiegend digital statt: Die Vorträge und Panel-Diskussionen werden live online übertragen. Die Veranstaltung richtet sich an alle Interessierten und ist kostenlos. Die Anmeldung ist noch bis zum 20. September möglich. Bei Fragen gibt die Abteilung Strategie der Universität Freiburg Auskunft.

Informationen und Anmeldung