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Keep calm and study on

Welche Auswirkungen die endlose Brexit-Debatte auf Mitglieder der Universität Freiburg hat

Freiburg, 26.04.2019

Ganz nah dran am Brexit ist Christian Jäger. Er leitet das EU-Büro der Universität Freiburg und ist bei Grundsatzangelegenheiten, Anträgen und Verträgen der Ansprechpartner. Mathias Heybrock hat ihn gefragt, womit Studierende und Forschende bei einem Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union (EU) rechnen müssen.


Die Nachrichtenlage ist undurchschaubar und chaotisch – für die weitere Kooperation in Forschung und Lehre erarbeitet die Universität Freiburg diverse Optionen für unterschiedliche Szenarien. Foto: tostphoto/stock.adobe.com

Herr Jäger, welche Auswirkungen wird der Brexit auf die Universität Freiburg haben?

Christian Jäger: Fangen wir mal auf der Ebene des Erasmus-Programms an: Verlässt das Vereinigte Königreich die Europäische Union, fällt das Land zunächst aus Erasmus heraus. Es hat dann zum Beispiel die Möglichkeit, assoziiertes Mitglied zu werden, ähnlich wie die Türkei oder Norwegen. Oder es funktioniert wie derzeit im Austausch mit der Schweiz: In diesem Fall würde London das Geld, das jetzt nach Brüssel fließt, weiterhin zahlen, nur eben direkt an die Studierenden – auch an unsere Freiburger Studierenden, die nach Großbritannien gehen.

Klingt unproblematisch. Wo ist der Haken?

Leider gehen mindestens zwei Jahre ins Land, bis so ein Assoziierungsabkommen in trockenen Tüchern ist. Zudem wissen wir nicht genau, ob London das will. Wir wissen ja nicht einmal, ob die alten Strukturen sich wirklich auflösen und welche an ihre Stelle treten könnten. Es ist gerade alles im Fluss.

Was heißt das für die Freiburger Erasmus-Kandidatinnen und -Kandidaten?

Im Sommersemester 2019 ändert sich für sie nichts, egal was passiert. Wie es dann im Wintersemester 2019/20 ausschaut, müssen wir sehen. Wir empfehlen im Moment: Versteift euch nicht ausschließlich auf Großbritannien, schaut nach Alternativen. Wer zum Beispiel Anglistik studiert, kann auch an skandinavischen Universitäten oder in Irland gut aufgehoben sein.

Wie ist die Situation bei Forschungsvorhaben im europäischen Verbund?

Für die gilt, dass mindestens drei Partner aus der EU oder assoziierten Staaten kommen müssen, um eine Förderung zu erhalten. Meistens sind aber mehr als nur drei europäische Universitäten beteiligt. Wären britische Partner irgendwann nicht mehr in der EU, wären die Förderbedingungen nicht tangiert. Zudem hat die britische Regierung garantiert, dass britische Partner in EU-Projekten, die bereits vor dem Brexit-Datum anlaufen oder erfolgreich beantragt werden, ihre Fördergelder direkt aus London statt aus Brüssel bekommen werden.


Christian Jäger leitet das EU-Büro und hat beinahe täglich mit Fragen rund um den Brexit und dessen Folgen für die Universität zu tun. Foto: Thomas Kunz

Also alles bestens?

Mit einer kleinen Ausnahme. Wir sind an einem sehr interessanten Vorhaben beteiligt, das exakt die Mindestanforderung erfüllt: Wir kooperieren mit Fribourg in der Schweiz und mit Cambridge in England. Im Falle eines Brexits wird dieses Projekt nicht sofort gestoppt. Es läuft noch bis September 2020. Und wer kann derzeit schon sagen, ob Großbritannien dann nicht doch noch in der EU ist?

Werden mittelfristig geplante Vorhaben zurzeit schneller auf den Weg gebracht, damit sie noch vor dem Brexit am Tag X eingereicht, genehmigt und finanziell gesichert werden können?

Nein. Jedes ausgeschriebene Forschungsvorhaben hat einen festen Termin, an dem der Antrag da sein muss. Auf den hat man keinen Einfluss. Er liegt entweder vor diesem Tag X oder eben nicht. Es entsteht also keine Hektik und schon gar keine Panik. Wir kriegen durchaus vermehrt Anfragen von Universitätsangehörigen, die von der aktuellen Situation betroffen sind und sich informieren wollen. Aber alle sind angenehm gelassen.

Was könnte schlimmstenfalls passieren?

Käme kein Assoziierungsabkommen zustande, müsste man auf bilateraler Ebene kooperieren. In der Forschung käme es dann darauf an, dass die Förderorganisationen in Deutschland und Großbritannien gemeinsame Formate aufsetzen, denn die Kooperation ist für beide Seiten wichtig. Beim Austausch wären wir dann wohl wieder in den 1970er Jahren: Austauschprogramme würden von Rektorat zu Rektorat verhandelt.

Wie oft hören Sie zurzeit morgens die Nachrichten und denken: Vielen Dank, da hätte ich mir den gestrigen Arbeitstag ja sparen können?

Ganz so schlimm ist es nicht. Wir entwickeln unterschiedliche Optionen für unterschiedliche Szenarien. Gerade in Bezug auf die britischen Studierenden, die in diesem Sommersemester zu uns kommen, haben wir einigen zusätzlichen administrativen Aufwand. Aber den haben wir gern.

Warum?

Weil wir uns auf die britischen Studierenden freuen. Wir wollen den internationalen Austausch in Bildung und Forschung. Er ist unverzichtbar.