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Mangold isch G’müse

Ein Besuch auf dem Münstermarkt kann für ausländische Studierende zum Deutschkurs werden

Freiburg, 24.08.2017

Mangold isch G’müse

Foto: Jürgen Gocke

Die bunten Stängel an den großen Blättern leuchten quietschgelb, tiefrot und knallpink. „Was ist das?“, fragt einer aus der Runde, der aus Indien stammt. „Mangold!“, antwortet der Verkäufer. „Mango?“, schallt es zurück. „Nei, Mango isch e Frucht, und des isch G’müse“, erklärt der Fachmann. Eine typische Szene an diesem Vormittag, der einen an die Methode „Learning by Doing“ erinnert. Man lernt das, was man tut, indem und während man es tut. So ähnlich kann man sich die „Walking Dialogues“ vorstellen: Ausländische Studierende gehen zusammen mit ihren deutschen Dozierenden raus ins echte Leben, um dort ihre Sprachkenntnisse im Alltag zu erproben.


Rettich, Himbeeren, Wirsing: Im wahren Leben lassen sich Vokabeln leichter lernen als im Hörsaal. Foto: Jürgen Gocke

Die Idee zu diesem Deutschunterricht stammt von Yani Guo vom Studierendenwerk Freiburg-Schwarzwald und ihren Teammitgliedern Katharina Knop, Nicole Nicklas und Marielle Raih; allesamt Studentinnen mit pädagogischem Background. Vor dem jeweils anstehenden Termin servieren sie den Teilnehmerinnen und Teilnehmern vorab lediglich die entsprechenden Vokabeln in einer klassischen Unterrichtsstunde, um sie auf das Sprachbad in der Menge vorzubereiten.

Heute, an einem trubeligen Samstag im Juli, steht ein Freiburger Klassiker auf dem Trainingsplan: Einkaufen auf dem Münsterplatz. „Wir gehen jetzt einmal um den Markt herum“, erklärt Nicklas das Prozedere. „Und dann essen wir eine Bratwurst oder – für die Vegetarier – Tofu.“ „Tofu gibt es hier?“, fragt Yang Peng, ein Endzwanziger aus China. „Passt Tofu zum Grillen?“ Fröhliches Gelächter. „Ja, das machen die Deutschen doch ständig“, schiebt Yang nach. Und schon ist man bei kulturphilosophischen Fragen angelangt. Deutschland, Land der Dauergriller? Nicole – alle sind per du – macht indessen munter weiter, zeigt auf Stachelbeeren, Rhabarber, Johannisbeeren.

Vokabeltraining en passant

Jijo George und Swertin Paul sind indische Informatikstudenten und erst seit Herbst 2016 in Freiburg. Auf dem Rundgang probieren und erzählen sie abwechselnd. Schnell am Brotstand einen Happen schnappen, dann zum Käsestand. „Mein Mitbewohner isst immer Blauschimmelkäse“, berichtet George in noch holprigem Deutsch aus seinem Studentenalltag. Apropos Milchprodukte: An einem Kuchenstand erklärt Nicklas: „Sauerrahm, das ist so eine Art Sahne. Sau-er-rahm“, betont sie vorbildlich. Peng spricht nach: „Sau... Sau-rahm.“ Er lebt seit fast vier Jahren in Freiburg und ist als Philosoph auf sprachlichem Gebiet sehr beschlagen (Heidegger!). Als sie an den Ständen mit Salatangebot vorbeiziehen, erläutert Nicklas die Redewendung „Da hast du den Salat!“ Peng fällt dazu nur ein: „Kabelsalat!“ Das hat er allerdings nicht im Deutschkurs gelernt, sondern im Internet.

Tofu im Bratwurstlook

Das sommerliche Marktangebot betört die Sinne. Mattrot grüßt der Rettich, überall locken Beeren in Rot-, Rosa-, Lila- und Blautönen, gelb leuchten die Zucchini. Gelbe Zucchini? „Normalerweise sind die immer grün“, sagt einer. Sein Blick fällt auf eine Kiste mit prallen Kirschen. „Ich habe in Deutschland zum ersten Mal Kirschen gegessen“, berichtet Peng, „bei uns in der Gegend gibt es keine.“ „Bei uns schon“, erwidert Guo. Verständigen können sich beide auf Mandarin. Wenngleich Guo vom Studierendenwerk ihren Landsmann freundlich mahnt: „Auf Deutsch!“

Wenn es auf Deutsch allerdings zu schwierig wird, können die drei Inder Paul, Jijo und Raghu mit Jibran aus Pakistan auf ihre Muttersprachen ausweichen. „Hindi und Urdu sind sich ähnlich, aber nur beim Sprechen“, erklärt Jibran. Die vier jungen Männer aus Südasien kochen fast täglich, sind also mit Lebensmitteln und ihrer Zubereitung ganz gut vertraut. So langsam meldet sich der Hunger. Zeit für einen Imbiss. Der eine probiert die lange Rote, der andere eine Kalbsbratwurst. Raghu, dessen Name wie das französische „Ragout“ ausgesprochen wird, hat sich einen vegetarischen Snack besorgt: Tofu im Bratwurstlook. Mit viel gelborange schimmernden Gewürzen. „Aaah!“, schreit er auf, als er probiert, „sehr scharf!“ „Ehrlich?“, kommt es überrascht aus der Runde. „Nein“, wiegelt er lächelnd ab. Offensichtlich hat er nur die typisch deutsche Reaktion auf scharfes Essen imitiert. Alle lachen. Und freuen sich schon aufs nächste Mal: Im Wintersemester 2017/18 geht es mit den laufenden Unterhaltungen weiter.

Alexander Ochs

 

Walking Dialogues
Sprachpraxis sammeln im Alltag – sei es auf einer Radtour, beim Besuch des Mundenhofs oder bei der Freiburger Museumsnacht: Das ist die Idee der Walking Dialogues, eines Veranstaltungsformats des Studierendenwerks Freiburg-Schwarzwald. Sie finden in der Vorlesungszeit etwa einmal im Monat statt. Das kostenlose Angebot richtet sich an Studierende der Freiburger Hochschulen. Um Anmeldung wird gebeten.

E-Mail:
www.swfr.de