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Anpfiff für Arbeitsgruppen

Drei Freiburger Nachwuchsforscher erhalten den renommierten Starting Grant des Europäischen Forschungsrats

Freiburg, 09.09.2016

Anpfiff für Arbeitsgruppen

Frank Hutter, Eva von Contzen und Marco Caracciolo (von links) erhalten eine Förderung von insgesamt knapp vier Millionen Euro. Fotos: Klaus Polkowski

Drei Starting Grants des Europäischen Forschungsrats (ERC) für die Universität Freiburg: Der Literaturwissenschaftler Dr. Marco Caracciolo, die Anglistin Dr. Eva von Contzen und der Informatiker Dr. Frank Hutter erhalten für die nächsten fünf Jahre eine Förderung von insgesamt knapp vier Millionen Euro. Die Auszeichnung gehört zu den renommiertesten Preisen der Europäischen Union. Der ERC unterstützt damit junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die einige Jahre nach ihrer Promotion eine unabhängige Karriere beginnen und eine eigene Arbeitsgruppe aufbauen wollen. Von knapp 3.000 eingereichten Anträgen werden in der aktuellen Runde 325 Vorhaben in 23 Ländern Europas gefördert.


Marco Caracciolo, Freiburg Institute for Advanced Studies (FRIAS): „Narrating the Mesh”

Was empfinden Menschen, wenn sie einem Tier begegnen? Wie beschreiben sie ihr Verhältnis zum Wetter? Wann fühlen sie sich mit der Natur verbunden? Mit diesen Fragen setzt sich der Literaturwissenschaftler Marco Caracciolo auseinander. „Es gibt momentan viele Stimmen, die sagen, dass die ökologische Krise unsere Haltung zu der uns umgebenden Natur in Frage stellt“, sagt der Forscher. War das Weltbild bislang von der Vorstellung geprägt, der Mensch unterscheide sich fundamental von seiner Umwelt und sei ihr aufgrund seiner Fähigkeiten überlegen, werde mit den ersten Folgen des Klimawandels deutlich, wie sehr beide Welten miteinander verbunden sind. Ausgehend von dem Bild eines Geflechts oder Netzes (Englisch: mesh) zwischen Mensch und Natur, das der Philosoph Timothy Morton geprägt hat, untersucht und vergleicht Caracciolo erzählerische Verbindungen zwischen Menschen und einer Bandbreite an nicht-menschlichen, also ökologischen und geophysikalischen Prozessen. In seinem Projekt analysiert er 20 Werke der vergangenen zwei Jahrzehnte wie zum Beispiel Haruki Murakamis „Nach dem Beben“ oder Ian McEwans „Solar“. Die darin verwendeten Bilder, Konzepte und stilistischen Mittel vergleicht er mit denjenigen aus mündlichen Berichten von Probandinnen und Probanden, die unterschiedliche soziale und geografische Hintergründe mitbringen. Sie werden in Interviews gebeten, von ihren Begegnungen mit Tieren oder ihrem letzten Ausflug in die Natur zu erzählen. Der Vergleich soll aufzeigen, ob und wie sich literarische und mündliche Beschreibungen des „Geflechts“ unterscheiden und welche Wirkung diese auf Erzählende und auf die Zuhörerschaft haben. Mit seiner Forschung möchte Caracciolo hervorheben, wie Erzählungen und Geschichten das menschliche Bewusstsein für die Verbindung mit der Natur sensibilisieren können. Der Forscher ist der erste FRIAS-Fellow, der eine ERC-Förderung in den Geisteswissenschaften erhalten hat.

Eva von Contzen, Englisches Seminar: „Towards a Listology – LISTLIT”
Einkaufszettel, Aufzählungen von Reisezielen, To-Do-Überblicke im Büro: Der moderne Alltag ist von Listen geprägt – dabei sind sie keine neue Erfindung. Seit den Anfängen der Schriftlichkeit haben Menschen Listen erstellt, zum Beispiel um Gebiete zu überblicken und zu verwalten oder um an Könige und wichtige geschichtliche Ereignisse zu erinnern. Auch in literarischen Texten spielen Listen eine große Rolle. „Man denke nur an die unzähligen Listen in der Bibel oder den Schiffskatalog in der ‚Ilias‘“, sagt Eva von Contzen. Gleichzeitig sei es fast schon eine Provokation, wenn solche Aufzählungen in literarischen Texten auftauchten: Wer habe nicht schon einmal eine Liste überblättert, statt sie zu lesen? Und lasse sich eine Liste überhaupt lesen? Diese Spannung zwischen der scheinbar trivialen kulturellen Praxis des Listenschreibens und ihren literarischen Erscheinungsformen möchte die Anglistin ausloten. Mit ihrer Arbeitsgruppe wird sie die unterschiedlichen Arten und Genres von Listen von der Antike bis zur Postmoderne auf zwei Leitfragen hin untersuchen: Wie werden Listen und Aufzählungen in literarischen Texten verwendet und welche Funktionen erfüllen sie? Wie verhalten sich diese literarischen Formen zu nicht-literarischen Praktiken des Listenschreibens in einer bestimmten Epoche? Mit dem Projekt, zu dem sie die Vorarbeit in ihrer Zeit als Junior Fellow am FRIAS begann, will von Contzen einen Beitrag zur derzeit expandierenden Disziplin der kognitiven Literaturwissenschaft leisten. „Listen bilden Prinzipien der Ordnung und Unordnung ab. Sie sind ein wertvoller Seismograf dafür, wie die Welt in einer bestimmten Zeit wahrgenommen und entsprechend geordnet wird.“ Teil der Arbeit wird außerdem die Erstellung einer öffentlich zugänglichen Datenbank von Listen in literarischen Texten sein.

Frank Hutter, Institut für Informatik:
„Data-Driven Methods for Modelling and Optimizing the Empirical Performance of Deep Neural Networks“
Unter dem Stichwort „Deep Learning“ macht die künstliche Intelligenz in jüngster Zeit von sich reden, zum Beispiel durch ihre Fähigkeit, Bilder zu erkennen, Sprache zu verstehen, den Weltmeister im japanischen Brettspiel GO zu schlagen, oder – wie im Exzellenzcluster BrainLinks-BrainTools der Universität Freiburg – durch Gedanken intelligente Roboterarme zu steuern. „Eins der Hauptprobleme des Deep Learning ist jedoch seine Sensitivität“, sagt Frank Hutter. „Damit es funktioniert, müssen Dutzende freie Parameter richtig eingestellt werden. Wenn auch nur einer davon schlecht gewählt ist, funktioniert oft gar nichts mehr.“ Forscherinnen und Forscher testen deswegen oft Hunderte von Einstellungen, um eine gute zu finden. Für die typischerweise umfangreichen Datensätze im Zeitalter von „Big Data“ wäre dieser blinde Blackbox-Ansatz aber zu langsam – hier will Hutter Abhilfe schaffen, um Rechenzeiten von mehreren Jahren pro Datensatz zu vermeiden: „Wir entwickeln intelligente Optimierungsverfahren, die ganz ähnlich wie menschliche Expertinnen und Experten arbeiten. Sie nutzen frühere Ergebnisse bei der Analyse von ähnlichen Datensätzen und führen autonom kurze Experimente auf Teilmengen der Daten aus, um etwa 100-mal schneller eine gute Einstellung zu finden.“ Der Informatiker will mit seiner methodischen Grundlagenforschung das Deep Learning so weit entwickeln, dass es auf Knopfdruck funktioniert und dass auch Laien es effektiv verwenden können. Im Exzellenzcluster BrainLinks-BrainTools möchte Hutter seine Forschung konkret anwenden, um Gehirnsignale besser zu klassifizieren – zum Bespiel, um zu erkennen, an welche Bewegung des Roboterarms eine Probandin denkt. Während das Lernen eines optimierten Klassifikationsmodels dafür zur Zeit noch Tage benötigt, soll es durch Hutters Forschung in der Zukunft in Echtzeit möglich werden.



Kontakt:
Dr. Marco Caracciolo
Freiburg Institute for Advanced Studies (FRIAS)
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Tel.: 0761/203-97320
E-Mail: marco.caracciolo@frias.uni-freiburg.de

Dr. Eva von Contzen
Englisches Seminar
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Tel.: 0761/203-3314
E-Mail: eva.voncontzen@anglistik.uni-freiburg.de

Dr. Frank Hutter
Institut für Informatik
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Tel.: 0761/203-67740
E-Mail: fh@cs.uni-freiburg.de


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