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Auch auf dem Weg nach rechts?

Am 15. Oktober 2017 wählt Österreich ein neues Parlament – Politikwissenschaftler Sebastian Jäckle vermutet einen Rechtsruck

Freiburg, 05.10.2017

Auch auf dem Weg nach rechts?

Quelle: frizio/Fotolia

Seit 2002, als die beiden großen alten österreichischen Volksparteien ÖVP und SPÖ zusammen noch auf knapp 80 Prozent der Stimmen kamen, haben diese stetig an Zuspruch verloren. Das Parteiensystem ist in der Folge deutlich zersplittert. „Insbesondere die rechtspopulistische FPÖ, seit 2005 unter der Führung von Heinz-Christian Strache, hat sich erneut zu einem ernsten Mitwettbewerber entwickelt“, sagt Politikwissenschaftler Dr. Sebastian Jäckle von der Albert-Ludwigs-Universität. Aktuelle Umfragen sehen sie nahezu gleichauf mit der SPÖ bei etwa 25 Prozent.

Wahlsieger dürfte allerdings die ÖVP werden. Sie liege laut Umfragen bei etwa 33 Prozent. Und das, obwohl der Parteiname ÖVP im Wahlkampf gar nicht auftauche. „Der neue Parteichef und Spitzenkandidat Sebastian Kurz hat parteiintern durchgesetzt, bei den Wahlen als ‚Liste Sebastian Kurz – Die neue Volkspartei (ÖVP)‘ antreten zu dürfen und neben ÖVP- Mitgliedern auch unabhängige Kandidatinnen und Kandidaten für seine Liste aufstellen zu können.“

Unter den zehn vordersten Plätzen der Bundesliste finden sich laut Jäckle neben Kurz und der ÖVP-Generalsekretärin Elisabeth Köstinger denn auch ausschließlich Persönlichkeiten, die bislang nicht als ÖVP-Politikerinnen und -Politiker in Erscheinung getreten sind. Darunter sind: Eine ehemalige ORF-Moderatorin; ein ehemaliger Präsident des Rechnungshofs, der in den 1990er Jahren auch schon als Büroleiter für den damaligen FPÖ-Vorsitzenden Jörg Haider gearbeitet hatte; ein in der Türkei geborener, ehemaliger Grüner, der für diese auch zwischen 2008 und 2015 im Nationalrat saß; ein Mathematikprofessor; eine Künstlerin und Organisatorin des Wiener Opernballs und eine erst 24-jährige, ehemalige Stabhochspringerin, die nach einem Trainingsunfall im Rollstuhl sitzt. „Die alte ÖVP-Elite wurde von Kurz hingegen außen vor gelassen.“

Der erst 31-jährige Kurz könne dabei selbst auf eine steile politische Karriere zurückblicken: Obmann der ÖVP-Jugendorganisation mit 22, Abgeordneter im Wiener Gemeinderat mit 23, Integrationsstaatsekretär mit 24, Außenminister mit 27 und seit Juli 2017 Chef der ÖVP. Er habe der alten Volkspartei aber nicht nur ein jugendliches Gesicht gegeben, sondern auch programmatisch ihr Profil geschärft. So formuliere das Wahlprogramm der Liste Kurz insbesondere in der Asyl- und Sozialpolitik restriktive Positionen, beispielsweise wenn es darum gehe, Ausländerinnen und Ausländern aus anderen Staaten der Europäischen Union den Zugang zum österreichischen Sozialsystem erst nach fünf Jahren Aufenthalt in der Alpenrepublik zu ermöglichen.

„Auch wenn mit der Liste Sebastian Kurz der Wahlsieger schon so gut wie feststeht, ist noch völlig offen, welche Koalition sich bilden wird.“ Eine Fortsetzung der großen Koalition unter einem Kanzler Kurz sei genauso möglich wie eine ÖVP-FPÖ-Koalition. Und selbst eine Koalition aus SPÖ und FPÖ werde von den Sozialdemokraten nicht mehr, wie zu Zeiten Haiders, kategorisch ausgeschlossen – auf Landesebene ist eine solche rot-blaue Koalition im Burgenland seit 2015 im Amt. Daneben könnten sich drei weitere kleine Parteien Hoffnung machen, die Vier-Prozent-Hürde zu überschreiten und in den Nationalrat einzuziehen. Dies seien die Grünen, die liberalen NEOS sowie die vom Ex-Grünen Peter Pilz gegründete Liste Pilz. Für die Regierungsbildung dürften diese jedoch keine Rolle spielen.

Einen ersten Hinweis auf mögliche Koalitionen könne ein Vergleich der Antworten der Parteien zu den Thesen des österreichischen Wahl-O-Mat-Pendants „Wahlkabine.at“ liefern. „Hier zeigen sich relativ klar zwei Lager. Ein sozialdemokratisch-grünes (SPÖ-Grüne- Pilz) sowie ein rechts-konservatives (ÖVP-FPÖ). Die liberalen NEOS haben zu beiden Lagern in etwa dieselben Abstände.“ Von den drei möglichen Koalitionen würde sich aufgrund programmatischer Gemeinsamkeiten am ehesten das rechts-konservative ÖVO-FPÖ-Bündnis anbieten. „Zudem wird die große Koalition in Österreich, ähnlich wie aktuell in Deutschland, mit politischem Stillstand assoziiert, weshalb sie bei beiden Parteien wenig populär ist.“

Dr. Sebastian Jäckle ist Politikwissenschaftler und Akademischer Rat an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Zu seinen Forschungsinteressen gehören unter anderem die Methoden der Politikwissenschaft, politische Eliten, Effekte des Aussehens bei Wahlen und rechtsmotivierte Gewalttaten.


Quelle: Wahlkabine.at



Dr. Sebastian Jäckle


Seminar für Wissenschaftliche Politik
Werthmannstr. 12, 79085 Freiburg

Tel.: +49 (0) 761/203-9368
E-Mail: sebastian.jaeckle@politik.uni-freiburg.de

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