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Trauben mit Mikrorissen

Biologe Hanns-Heinz Kassemeyer erläutert, warum die große Sommerhitze für hiesige Rebsorten gravierende Nachteile hat

Freiburg, 16.09.2019

Trauben mit Mikrorissen

Reife Spätburgunder-Trauben. Foto: Hanns-Heinz Kassemeyer

Bei einem Gang durch die herbstlichen Weinberge bieten die Rebstöcke mit reifen Trauben ein Bild der Fülle. „Reife Trauben hoher Qualität sind aber keine Selbstverständlichkeit. Die Beeren sind vielfältigen Einflüssen ausgesetzt, die ihnen erheblich schaden können“, sagt der Biologe Prof. Dr. Hanns-Heinz Kassemeyer von der Universität Freiburg.  Zusätzliche Gefahren drohen durch den  Klimawandel: Während der Reifephase könnten Witterungsextreme wie Hagel, Starkregen und Hitze die Anfälligkeit für Pilze und Bakterien erhöhen.

„Durch die zunehmenden Temperaturen während der gesamten Entwicklung der Weinreben hat sich der Zeitpunkt der Beerenreife von den Herbstmonaten in den Sommer vorverlegt“, erläutert Kassemeyer. Was auf den ersten Blick vorteilhaft erscheine, sei jedoch mit gravierenden Nachteilen verbunden. „Die klassischen regionalen Rebsorten sind nicht an hohe Temperaturen während der Reife angepasst, sondern sind das Ergebnis einer über Jahrhunderte andauernden Auslese für gemäßigte Klimabedingungen.“ Die Sorten zeichneten sich durch die Anpassung an eine kühle Spätsommer- und Herbstwitterung aus, durch die eine fruchtige Säure und feine Aromakomponenten erhalten werden. „Außerdem besteht bei hohen Temperaturen während der Reifephase die Gefahr, dass die Beerenhaut durch Hitze und Sonneneinstrahlung geschädigt wird und Mikrorisse entstehen.“ Dadurch erhöhe sich die Infektionsgefahr durch Pilze und Bakterien erheblich.

Derzeit werden am Staatlichen Weinbauinstitut Freiburg  in Zusammenarbeit mit der Plant Biomechanics Group der Albert-Ludwigs-Universität und dem Nano Imaging Lab der Universität Basel Untersuchungen zur Struktur der Beerenoberfläche durchgeführt. Dabei werden die Nanostruktur der Oberfläche und deren chemisch-physikalischen Eigenschaften charakterisiert. „Die Oberfläche von Früchten ist generell mit einer Schicht von Wachskristallen bedeckt, die oft als grau schimmernder Hauch zu erkennen ist“, sagt Kassemeyer. Bei den Beeren der hiesigen Standardsorten, zum Beispiel „Blauer Spätburgunder“, bestehe diese Schicht aus senkrecht bis schräg stehenden, plättchenförmigen Wachskristallen, die an ihren oberen Enden kammförmig aufgelöst seien.

Durch diese Strukturen, deren Größe im Nanometer-Bereich liege, werde ultraviolette Strahlung reflektiert und es entstehe eine wasserabweisende Oberfläche. „Bei Beeren jedoch, die im Weinberg hohen Temperaturen und starker UV-Strahlung ausgesetzt waren, ist diese Wachsschicht teilweise zerstört.“ Die strukturelle und chemische Analyse eines breiten Spektrums an Sorten aus gemäßigten und mediterranen Zonen habe Unterschiede in der Struktur und chemischen Zusammensetzung der Wachskristalle ergeben. „Dies wiederum ermöglicht es, Rebsorten auszulesen, die aufgrund ihrer Beerenstruktur widerstandsfähiger gegenüber hohen Temperaturen während der Reife sind“, resümiert Kassemeyer. Auf dieser Grundlage soll es möglich sein, Rebsorten zu züchten, die mit den Folgen des Klimawandels besser zurechtkommen.

Hanns-Heinz Kassemeyer ist seit 2008 Mitglied der Fakultät für Biologie an der Universität Freiburg und hat von 2001 bis 2014 die Abteilung Biologie am Staatlichen Weinbauinstitut Freiburg geleitet. Heute ist er als Seniorwissenschaftler am Staatlichen Weinbauinstitut und der Plant Biomechanics Group an wissenschaftlichen Arbeiten zum Thema Beerenstruktur und Mikrorisse an der Beerenoberfläche beteiligt.

Videobeitrag zu Prof. Dr. Hanns-Heinz Kassemeyers Forschung im Online-Magazin der Universität Freiburg

 




apl. Prof. Dr. Hanns-Heinz Kassemeyer

Institut für Biologie II, Botanik - Funktionelle Morphologie und Bionik
Staatliches Weinbauinstitut Freiburg
Merzhauser Straße 119, 79100 Freiburg

Tel.: +49 (0)761 / 40165-983
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