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Austausch mit Hindernissen

Studierende berichten, wie sie ihr Auslandssemester in Zeiten der Coronapandemie erleben

Freiburg, 07.05.2020

Austausch mit Hindernissen

Foto: nito/stock.adobe.com

Die internationale Gemeinschaft kämpft gegen ein gemeinsames Problem: Die Coronapandemie hat sich weltweit ausgebreitet und verändert das Leben vieler Menschen. Auch Studierende – ob von der Albert-Ludwigs-Universität oder solche, die nach Freiburg kommen wollten – verbringen ihr Auslandssemester anders, als es zunächst geplant war. Patrick Siegert hat fünf Studierende gefragt, welche Veränderungen sie an ihren Gastuniversitäten erleben und wie sie sich auf ihren Alltag auswirken.

Foto: nito/stock.adobe.com

 

Matevž Štular, Medizin, von der Universität Ljubljana/Slowenien, derzeit an der Universität Freiburg eingeschrieben

„Im Wintersemester 2019/20 habe ich an der Universität Freiburg Medizin mit den Schwerpunkten Innere Medizin und Pädiatrie studiert. Im Anschluss kehrte ich nach Slowenien zurück, um dort während der Semesterferien ein paar Kurse zu absolvieren. Ursprünglich wollte ich dann für das Sommersemester nach Freiburg kommen. Doch dann brach die Coronapandemie aus. Derzeit halte ich mich bei meinen Eltern in Slowenien auf und arbeite zusammen mit anderen Medizinstudierenden in einem Hotline-Corona-Rufzentrum: Dort beantworten wir aktuelle Fragen, die Menschen in dieser schwierigen Zeit haben. Mit meinen Freundinnen und Freunden, auch aus Freiburg, bleibe ich per Online-Apps im Kontakt. Damit nicht jeder Tag dem anderen gleicht, musste ich mir in meinem Alltag eine neue Routine schaffen. Im Sommersemester belege ich an der Universität einige Kurse, die online stattfinden werden. Noch weiß ich nicht, wann ich nach Deutschland zurückkehren werde. Aber ich bin zuversichtlich, das Sommersemester in Freiburg verbringen zu können.“

Foto: Nejc Čampelj

 

Milena Luongo, Archäologische Wissenschaften und Kunstgeschichte, derzeit an der Voronezh State University in Woronesch/Russland

„Seit Mitte März ist die Universität geschlossen und unser Unterricht findet online statt. Mein Russischkurs hat seitdem nicht an Qualität oder Aufwand verloren. Wir erhalten täglich anderthalb Stunden Unterricht per Skype. Für die anderen Kurse werden wöchentlich schriftliche Aufgaben vergeben. Mein Studienleben hat sich durch die Umstellung kaum verändert. Allerdings wohne ich als einzige in meinem Bekanntenkreis nicht im Wohnheim, das jetzt nur noch Bewohnerinnen und Bewohner betreten dürfen. Vor der Krise haben wir uns dort regelmäßig am Wochenende getroffen, um gemeinsam zu Abend zu essen. Außerdem sind wir abends ausgegangen oder haben andere Dinge unternommen. Meine Kommilitoninnen und Kommilitonen können Zeit zusammen verbringen, während ich weitgehend isoliert bin. Wir kommunizieren lediglich virtuell miteinander. Noch sind keine Lockerungen in Sicht, vorzeitig heimzukehren ist für mich daher keine Option. Leider kann ich nicht das Land bereisen, Museen und Theater besuchen oder Menschen aus Russland kennenlernen. Mir ist jedoch bewusst, wie privilegiert ich bin: Mich über ein ‚ruiniertes‘ Auslandssemester zu beklagen, während andere Menschen mit existenziellen oder gesundheitlichen Problemen kämpfen, wäre dann schon sehr unangebracht.“

Foto: Gracia Fässler

 

David Pister, Deutsch und Sport, derzeit an der University of Stavanger/Norwegen

„Seit Anfang Januar 2020 absolviere ich an der University of Stavanger den Kurs Outdoor Education: Dabei lerne ich, Schülerinnen und Schüler fachgerecht durch die Natur zu leiten. Ein Schwerpunkt ist Cross-Country-Ski, aber auch Kajak, Surfen und Klettern stehen auf dem Lehrplan. Ich wohne zusammen mit acht Menschen in einer WG im Wohnheim. Die norwegische Regierung hat Schulen, Universitäten und Kindergärten schon Mitte März geschlossen. Ich erhielt die Nachricht auf dem Rückweg von einer Exkursion aus dem norwegischen Sirdal. Von da an hat sich das Studienprogramm drastisch verändert: Exkursionen, Erste-Hilfe-Trainings und Kletterstunden wurden in Hausaufgaben umgewandelt, die man alleine umsetzen kann. Der Leiter unseres Studiengangs bemüht sich jedoch, Aufgaben zu vergeben, die im Freien stattfinden. So müssen wir Vogel- und Pflanzenarten bestimmen, Bögen bauen oder Flöten aus Holz schnitzen, das Ganze mit der Kamera dokumentieren und zu kleinen Filmen zusammenschneiden. Ich genieße die Zeit hier so gut wie möglich, indem ich mich um einen strukturierten Tagesablauf bemühe und die verbleibende Zeit mit Wandern, Lesen, Kochen oder gar Fasten verbringe. Schließlich habe ich nun die Zeit dafür, neue Dinge auszuprobieren.“

Foto: David Pister

 

Mathias Vavro, Internationale Wirtschaftsbeziehungen, derzeit an der Université Paris-Est Créteil/Frankreich

„In Frankreich fällt der Shutdown ziemlich strikt aus: Wir dürfen das Haus nur für Besorgungen verlassen und uns maximal eine Stunde im Umkreis von einem Kilometer aufhalten. An der Universität sollten die letzten drei Vorlesungswochen online abgehalten werden, was allerdings nur in wenigen Kursen umgesetzt wurde. Viele ausstehende Kurse entfielen ersatzlos. Nachdem wir zunächst keine Informationen von der Universität erhalten hatten, erfuhren wir, dass ein Teil der Prüfungen per Videokonferenz stattfinden soll und für die anderen Kurse Hausarbeiten anfallen. Die Themen sollten wir jedoch erst im Mai bekommen. Weil das Semester gegen Ende April beendet sein sollte, habe ich mich vor Monaten für ein Praktikum ab Mai beworben. Zusammen mit anderen Kommilitoninnen und Kommilitonen kontaktierte ich mehrmals die Universitätsleitung, um sie auf die Situation hinzuweisen. Eine Rückmeldung erhielten wir bis heute keine. Klar ist es schwierig, in kurzer Zeit eine passende Lösung für alle zu finden. Viele von uns wissen jedoch nicht, wie wir im kommenden Monat neben dem Praktikum unsere Hausarbeiten schreiben können. Die freie Zeit zu Hause habe ich wenigstens dafür genutzt, an einem Buch zu schreiben und mit Bekannten im Kontakt zu bleiben. Ich freue mich darauf, wenn die Ausgangssperre Mitte Mai endlich gelockert wird. Von meinem Auslandssemester werde ich aber keine guten Erinnerungen mitnehmen.“

Foto: Johannes Mielitz

 

Julia Fischer, British and North American Cultural Studies, derzeit an der University of Edinburgh/Schottland

„Seit Anfang März befindet sich Schottland im Lockdown. Meine Kurse wurden in den letzten Wochen teilweise online angeboten, viele Klausuren wurden abgesagt, andere finden online statt oder wurden in Hausarbeiten umgewandelt. Von Ende Februar bis Anfang März streikten Lehrkräfte und Beschäftigte der Universität, weshalb ich bereits vor der Ausgangssperre von zu Hause arbeitete. Als dann alle Erasmus-Studierenden nach Hause fuhren, beschloss ich, hier zu bleiben. Zum Glück habe ich einen Online-Job, eine tolle WG und die Zusage meiner Vermieterin, auf unbestimmte Zeit in der Wohnung bleiben zu können. Konzentrationsschwierigkeiten versuche ich mit Routine entgegenzuwirken: früh aufstehen, spazieren, regelmäßig essen, Sport treiben, telefonieren. Eigentlich wollte ich nach den Klausuren Schottland bereisen und danach für ein Sommerpraktikum nach Berlin ziehen. Nun ist unsicher, ob das Praktikum überhaupt stattfindet und ob ich es in einem Monat nach Deutschland schaffe. Sollte ich hierbleiben müssen, will ich meinen Job weiterverfolgen, Zeit für Online-Kurse und Hobbys finden und vielleicht sogar einer ehrenamtlichen Tätigkeit nachgehen. Allgemein bin ich froh, hier geblieben zu sein. Und darüber, dass es meiner Familie und meinen Bekannten gut geht.“

Foto: Julia Fischer

 

 

Gut beraten

Die Arrival Days und Welcome Days für neue internationale Studierende sind für das Sommersemester 2020 abgesagt. Die Vorträge sind auf der Homepage des International Office (IO) zu finden. Studierende können das IO derzeit per E-Mail kontaktieren. Wer einen Auslandsaufenthalt plant, kann während des Semesters Info- und Beratungsveranstaltungen wahrnehmen, über die das IO auf seiner Website informieren wird. Ausschreibungen für kommende Austauschbewerbungen werden in den nächsten Monaten veröffentlicht. Die Bewerbungsfristen werden voraussichtlich im September liegen.

International Office

Das EU-Büro veröffentlicht auf seiner Homepage Erfahrungsberichte bisheriger ERASMUS-Studierender. Es unterstützt Interessierte bei der Kommunikation mit ausländischen Universitäten und zeigt Alternativen auf, falls ein Aufenthalt am Wunschziel nicht möglich ist. Bei Fragen zu Auswirkungen der Coronapandemie auf den ERASMUS-Aufenthalt bietet das EU-Büro eine Telefon- und Online-Beratung an. Für die ERASMUS-Studierenden aus dem Ausland und Freiburger Studierende im Ausland gibt es FAQs, die ständig aktualisiert werden. Gemeinsame Informationsveranstaltungen des EU-Büros, des International Office sowie der Fachbereichsvertretungen finden derzeit nicht statt.

EU-Büro