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Scherben aus Selinunt

Ein antikes Fragment könnte Teil eines Tempels oder eines Schatzhauses gewesen sein

Freiburg, 03.04.2018

Scherben aus Selinunt

Foto: mirekdeml/Fotolia

Immer mal wieder finden Objekte aus vergangenen Zeiten in Form eines Geschenks den Weg in die Archäologische Sammlung der Universität Freiburg. Nicht selten handelt es sich um wichtige Stücke. Eine Serie stellt die schönsten und ungewöhnlichsten Neuzugänge vor. Diesmal: das Fragment eines Terrakottagesimses aus Sizilien.

Die archäologische Fundstätte Selinunt in Sizilien birgt viele Schätze.
Foto: mirekdeml/Fotolia

Der Stifter war einst selbst der Beschenkte. Das Terrakottafragment, das er der Archäologischen Sammlung der Universität Freiburg übereignet hat, bekam Helmut Lucas vor Jahrzehnten von einem Freund geschenkt. Gemeinsam hatten die beiden die Überreste der antiken Stadt Selinunt auf Sizilien besichtigt. „Wir waren bei starkem Regen in den Ruinen herumgekraxelt, als er das Stück in einem tiefen Graben erblickte. Das war wohl in den 1950er Jahren, und mein Freund meinte, das wollen wir hier doch nicht verrotten lassen. Später hat er es mir dann irgendwann geschenkt“, erzählt der 86-jährige Lucas aus Kirchzarten.

Für die Archäologische Sammlung ist die Gabe eine Herausforderung. „Heute stellt die Mitnahme eines derartigen Stücks einen Kulturgutraub dar und ist streng verboten“, sagt Kurator Dr. Jens-Arne Dickmann. „Nach der wissenschaftlichen Ersterfassung und einer eigenen Recherche werden wir der Denkmalpflege in Selinunt eine genaue Beschreibung, Maße und Fotos zukommen lassen, damit das Fundstück mit den dortigen Objekten verglichen werden kann. Möglicherweise lässt sich so seine genaue Herkunft ermitteln, und gegebenenfalls wird das Stück restituiert.“

Teil eines Tempels? Das Bruchstück könnte von einem bedeutenden Gebäude stammen.
Foto: Patrick Seeger

Blütezeit der Polis

Trotz dieser Umstände ist die Schenkung ein kleiner Glücksfall, gerade für Dickmann selbst. In den späten 1980er Jahren hatte der junge Archäologe im Dienste des Deutschen Archäologischen Instituts in Rom (DAI) an Ausgrabungen in Selinunt teilgenommen. Ihm sind die archäologische Stätte und ihre Geschichte daher gut vertraut. Später leitete er ein vom DAI durchgeführtes Ausgrabungs-, Dokumentations- und Konservierungsprojekt in Pompeji. „Bei dem Fundstück handelt es sich um ein aus Ton geformtes und gebranntes Stück eines Gesimses. Mit großer Wahrscheinlichkeit war es Teil des äußeren Gebälks des Gebäudes. Es wurde nach dem Brennen stuckiert und mit einem schachbrettähnlichen Muster dreifarbig bemalt“, erläutert Dickmann. „In der Lehre eignet sich das Fragment prima für Bestimmungsübungen – etwa zu Alter und Baustil. Auch für Zeichenaufgaben ist es gut verwendbar.“

Das fragliche Gebäude dürfte um 500 vor Christus in Selinunt erbaut worden sein. In dieser Phase erlebte die griechische Polis eine Blütezeit: „Selinunt war eine prosperierende Stadt mit zahlreichen Tempeln, einer Stadtmauer, einem orthogonalen Straßensystem mit Haupt- und Nebenstraßen, einer Akropolis, der Agora mit angrenzenden Werkstätten und einem Flusshafen.“ Der Archäologe will nicht ausschließen, dass das Bruchstück von einem öffentlichen Gebäude stammt. „Es könnte sich dabei um einen kleinen Tempel gehandelt haben – oder um ein Schatzhaus.“

Hans-Dieter Fronz

 

Archäologische Sammlung der Universität Freiburg