Artikelaktionen

Sie sind hier: Startseite Online-Magazin forschen & entdecken „Strukturiertes Promovieren …

„Strukturiertes Promovieren ist die Zukunft“

Die Spemann Graduiertenschule für Biologie und Medizin wird zehn Jahre alt

Freiburg, 06.10.2017

„Strukturiertes Promovieren ist die Zukunft“

Foto: Jürgen Gocke

Eine hervorragende Ausbildung in den Lebens- und Naturwissenschaften: Dafür steht an der Universität Freiburg seit zehn Jahren die Spemann Graduiertenschule für Biologie und Medizin (SGBM), die in beiden Runden des bisherigen Exzellenzwettbewerbs erfolgreich war. Was hat sie erreicht, wie geht es weiter? Nicolas Scherger hat bei SGBM-Sprecher Prof. Dr. Christoph Borner nachgefragt.


Christoph Borner will die Spemann Graduiertenschule für Biologie und Medizin weiterentwickeln – zu einer Art Schirm für alle strukturierten Promotionsprogramme der Universität Freiburg. Foto: Jürgen Gocke

Herr Borner, mit welchem Konzept hat die SGBM im Exzellenzwettbewerb überzeugt?

Christoph Borner: Wir haben ein multidisziplinär und international ausgerichtetes Programm zum strukturierten Promovieren aufgesetzt. Unsere Doktorandinnen und Doktoranden verfolgen nicht nur ihr wissenschaftliches Projekt, sondern besuchen auch Kurse etwa zu wissenschaftlichem Schreiben und Präsentieren, gehen ins Ausland und bereiten den nächsten Karriereschritt vor, indem sie sich mit den Möglichkeiten befassen, die sich ihnen beispielsweise an der Universität, in der Industrie oder im öffentlichen Dienst bieten. Inzwischen haben Graduiertenkollegs der Universität in den Natur- und Lebenswissenschaften unsere Standards übernommen.

Was bedeutet „multidisziplinär und international“?

Wir wollten nicht nur ein Thema wie Neurobiologie oder Molekulare Medizin, sondern damals sechs, heute sieben Forschungsgebiete einbeziehen, damit die Doktoranden über den Tellerrand schauen. Dafür treffen sie sich einmal im Monat und stellen sich gegenseitig ihre Resultate vor, veranstalten einmal im Jahr eine Klausur, organisieren Konferenzen und können ein Austauschprogramm von bis zu sechs Monaten absolvieren.

Wie werden die Doktoranden betreut, wie bereiten sie sich auf den nächsten Karriereschritt vor?

Die Betreuung ist bei uns noch etwas intensiver als in Graduiertenkollegs. Dort gibt es zwar auch ein Komitee, bei dem der direkte Betreuer sowie zwei auswärtige Forscherinnen und Forscher einmal im Jahr mit dem Doktoranden zusammenkommen. Bei uns treffen die Doktoranden noch zusätzlich die Studienkoordinatorin zweimal im Jahr. Ich werde über den Fortschritt, aber auch die Probleme jeder Doktorarbeit unterrichtet und kann eventuell einwirken, bevor eine Arbeit aus dem Ruder gerät. Zusätzlich bieten wir unseren Doktoranden ein Karrierementoren-Programm, und zwar nicht nur für eine universitäre, sondern auch eine industrielle Weiterbildung.

War es zu Beginn schwierig, die passenden Doktoranden zu gewinnen?

Wir haben die Stellen weltweit ausgeschrieben, und gleich in der ersten Runde haben sich etwa 350 Bewerberinnen und Bewerber gemeldet. Damals waren solche Programme natürlich noch nicht so verbreitet. Wenn wir einen richtig guten Bewerber hatten, konnten wir uns fast sicher sein, dass er kommt.

Das ist inzwischen nicht mehr so?

Mittlerweile ist die Konkurrenz riesig. Wir müssen heute damit rechnen, dass wir von zehn hervorragenden Bewerbern, die wir aus 350 bis 400 Kandidatinnen und Kandidaten auswählen, zwei bis drei verlieren, weil sie sich für eine andere Graduiertenschule entscheiden. Aber nach wie vor bekommen wir sehr gute Leute und müssen auch exzellente Bewerber ablehnen.

Was wollten Sie in Phase zwei noch verbessern?

Wir wollten unser MD/PhD Programm mehr bekanntmachen, besonders unter den Medizinstudierenden in Freiburg. Im Medizinstudium liegt der Schwerpunkt auf der Behandlung von Patientinnen und Patienten, nicht auf der Grundlagenforschung. Viele der Studierenden wählen daher für ihre medizinische Doktorarbeit (MD) kein experimentelles Thema und verfassen diese Arbeit auch oft studienbegleitend. Wir möchten den Anteil der experimentellen MD-Arbeiten an der Medizinischen Fakultät erhöhen und die Studierenden für eine PhD-Arbeit nach der Approbation begeistern.

Wie sind Sie vorgegangen?

Wir haben zusammen mit Prof. Dr. Heike Pahl und Prof. Dr. Robert Thimme vom Universitätsklinikum das Programm „MOTI-VATE“ aufgesetzt, welches seit 2012 von der Else-Kröner-Fresenius-Stiftung finanziert wird. Es bietet 15 Doktoranden ein Stipendium von 1.000 Euro im Monat, damit sie ein Jahr lang für ihre Doktorarbeit in einem experimentellen Projekt arbeiten und Kurse und Praktika der SGBM besuchen können. Für diesen Ausbildungsblock sollen die Doktoranden zusätzlich zum MD in Zukunft ein Zertifikat oder gar ein Diplom in Experimenteller Medizin bekommen. Wir hoffen, dass einige Absolventen interessiert sind, anschließend bei uns einen Dr. rer. nat. (PhD) zu erwerben. Für eine Karriere in der Forschung ist das sehr wichtig. Beispielsweise reicht der Dr. med. nicht aus, um an Fördergelder der Europäischen Union zu kommen. Zudem erhöht ein Dr. rer. nat ihre Chancen auf spätere Topstellen an einem Universitätsklinikum.

Was kam in Phase zwei für Studierende anderer Fächer hinzu?

Ein Fast Track, also ein integriertes Master-Promotions-Programm: Die besten zwei bis fünf Prozent eines Jahrgangs sollen im zweiten Masterjahr mit der Doktorarbeit beginnen können. Die Doktoranden schreiben mit den Resultaten, die sie in den ersten sechs Monaten erzielen, eine Masterarbeit. Dann machen sie einfach mit der Promotion weiter – und haben ein Jahr gewonnen.

Zudem wollten Sie den Kontakt zur Industrie verstärken.

Wir haben ein neues Programm aufgesetzt: Mentorinnen und Mentoren aus der Industrie betreuen die Doktoranden im letzten Jahr der Promotion. Einmal im Jahr bilden wir bei einem Speed-Dating die Tandems, die am besten passen. Das läuft so erfolgreich, dass auch Pharmakonzerne inzwischen wissen, dass wir sehr gute Leute ausbilden. Außerdem haben wir die Seminarserie „Academia meets Industry“ mit Vorträgen von Topmanagerinnen und Topmanagern aus der Industrie gestartet. So entstehen hochrangige Kontakte, die wir weiter pflegen. Die Idee ist natürlich auch, dass Firmen vielleicht einmal ein Stipendium anbieten oder uns anderweitig unterstützen.

War die SGBM zur Halbzeit aus Ihrer Sicht schon etabliert?

Ich bin heute noch der Meinung, dass ich mehr Überzeugungsarbeit für die SGBM leisten muss. Strukturiertes Promovieren ist die Zukunft. An einigen Schweizer Universitäten promoviert schon jeder Doktorand strukturiert, wir hinken da leider noch hinterher. Der nächste Schritt wäre, dass wir alle anderen strukturierten Programme enger mit der SGBM verknüpfen, indem wir eine Art Schirm bilden, der die Standards für die Auswahl und Betreuung setzt. Dafür braucht es aber eine dauerhafte Finanzierung.

In der derzeit laufenden Exzellenzstrategie gibt es keine Förderlinie für Graduiertenschulen mehr. Wie geht es mit der SGBM weiter?

Das hängt natürlich trotzdem stark vom Erfolg in der Exzellenzstrategie ab. Unser Budget beträgt derzeit etwa 1,3 Millionen Euro im Jahr. Ich hoffe, dass wir die beiden Cluster, die im Rennen sind, bekommen und auch in der Förderlinie Exzellenzuniversitäten erfolgreich sein werden. Dann sollte es möglich sein, die SGBM weiterhin mit einer Million jährlich zu unterstützen. Ohne zusätzliches Geld aus der Exzellenzstrategie wird die Schule zwar auch weiter existieren – aber es wird dann kaum möglich sein, das Angebot auszubauen.

Unterm Strich: die SGBM, ein Erfolgsmodell?

Die Frage ist, wie man den Erfolg einer Graduiertenschule messen kann. Publikationen können nicht das einzige Kriterium sein, das ist eher der Gradmesser für ein Cluster. Bei einer Graduiertenschule ist ganz wichtig, was aus den Absolventen wird. Derzeit haben wir 109 Alumnae und Alumni, die weltweit in der Forschung arbeiten – zum Teil an Universitäten, viele aber auch in der Industrie. Letztlich wird man erst nach 20, 30 Jahren sagen können, wie erfolgreich wir waren – dann wird man beispielsweise sehen, ob einige es auf eine Professur oder in Spitzenpositionen in der Industrie geschafft haben.

www.sgbm.uni-freiburg.de

 

Signals from the Invisible

Die Spemann Graduiertenschule für Biologie und Medizin (SGBM) und der Exzellenzcluster BIOSS Centre for Biological Signalling Studies feiern vom 18.-20. Oktober 2017 ihr zehnjähriges Bestehen mit einem internationalen Symposium, das die beiden Einrichtungen gemeinsam veranstalten.

Webseite

Interview mit Dr. Marco Cavallari und Hanna Wagner vom Organisationsteam

abgelegt unter: