Artikelaktionen

Sie sind hier: Startseite Online-Magazin forschen & entdecken Von der Feinwurzel zum Footprint

Von der Feinwurzel zum Footprint

Die Kohlenstoffspeicherung verbessern, Kohlenstoffkreisläufe schließen und Emissionen verhindern – drei Ansätze aus der Universität Freiburg

Freiburg, 10.12.2019

Dr. Friderike Beyer, Juniorprofessorin Dr. Sina Leipold und Dr. Janine Schweier untersuchen an der Fakultät für Umwelt und Natürliche Ressourcen mit drei unterschiedlichen Ansätzen, wie das sinnvolle Management von Kohlenstoff aussehen könnte. Die drei Forscherinnen setzen an verschiedenen Stellen des Kohlenstoffkreislaufs an, um zu verstehen, wie sich natürliche Ressourcen intelligenter nutzen lassen, wie ein gezieltes Waldmanagement die Speicherung von Kohlenstoff unterstützen kann und wie Emissionen reduziert werden können.


An der Universität Freiburg suchen Forschende nach Lösungen, wie Bäume möglichst sicher, effizient und umweltschonend gefällt und transportiert werden können.
Foto: Lilli/stock.adobe.com

„Kohlenstoffkreislauf“ ist ein vergleichsweise junger Begriff für ein uraltes Phänomen. Bis zur Industriellen Revolution war der Kohlenstoffkreislauf weitgehend geschlossen und intakt. Doch durch die im Industriezeitalter beginnende Nutzung fossiler Brennstoffe gelangten große Mengen des Treibhausgases Kohlenstoffdioxid in die Atmosphäre – mit den bekannten Folgen: Erderwärmung und Klimawandel. Die Bioökonomie verfolgt unter anderem das Ziel, die Freisetzung von Kohlenstoffdioxid durch Bindung von Kohlenstoff in der Biomasse und im Boden sowie durch eine nachhaltige Produktion einzudämmen.

An diesem Ziel arbeiten auch drei Nachwuchswissenschaftlerinnen der Fakultät für Umwelt und Natürliche Ressourcen der Universität Freiburg. Dass es gerade Forst- und Forstpolitikwissenschaftlerinnen sind, die sich dieser Thematik widmen, ist wohl kein Zufall. „Das Nachhaltigkeitsgebot, wie es in der Bioökonomie zum Tragen kommt, hat seinen Ursprung in der Forstwissenschaft“, erklärt Friderike Beyer. Gefördert vom Margarete-von-Wrangell-Programm, untersucht sie, welche Baumarten durch ihre Feinwurzelaktivität wie viel Kohlenstoff in den Boden abgeben und speichern. Feinwurzeln sind Wurzeln mit einem Durchmesser von unter zwei Millimetern. Ein beträchtlicher Teil des von Bäumen fotosynthetisch gebundenen Kohlenstoffs wird direkt für das Feinwurzelwachstum verwendet. Gleichzeitig untersucht Beyer die Kohlenstoffdynamik in forstlichen Monokulturen im Vergleich zu Mischwaldbeständen mit einer bestimmten Baumartenauswahl. Ihre Untersuchungen sind gewissermaßen Grundlagenforschung zur Lösung der Frage, wie das Senkenpotenzial von Wäldern erhöht werden kann: das Potenzial, möglichst viel Kohlenstoff im Ökosystem zu speichern.

„Wir drei arbeiten in einer Art Kreislauf zusammen. Wenn du fertig bist mit den Wurzeln und der Bestandsentwicklung“, sagt Janine Schweier zu Beyer, „komme ich und überlege, wie ich das Holz nachhaltig zum Verbraucher und zur Industrie bekomme: Wie können Bäume möglichst sicher, effizient und umweltschonend gefällt und transportiert werden?“ Und an Sina Leipold gewandt, fügt sie hinzu: „Dann übernimmst du und untersuchst, wie das gewonnene Holz umweltschonend und effizient genutzt werden kann und welcher politischen Instrumente es bedarf, um eine solche Nutzung zu fördern.“


Kleine, aber sehr wichtige Feinwurzel: Untersuchungen sollen zeigen, welche Baumarten durch ihre Feinwurzelaktivität wie viel Kohlenstoff in den Boden abgeben und speichern.
Foto: Janna Wambsganß

Zukunftskonzepte für die Holznutzung

Schweier, die ebenfalls vom Margarete-von-Wrangell-Programm gefördert wird, arbeitet an emissionsreduzierten Verfahren im Bereich von Holzernte und Holzbringung und entwickelt Nutzungs- und Bereitstellungskonzepte für die Zukunft. Leipolds Arbeit hingegen besteht zum Teil darin, nachhaltige Geschäftsmodelle und -praktiken ausfindig zu machen und zu eruieren, wie diese politisch gefördert werden können. Daraus leitet sie mit ihrer Gruppe Handlungsempfehlungen für Politik und Wirtschaft ab: Leipold leitet die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Nachwuchsforschungsgruppe „Circulus – Transformationspfade und -hindernisse zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft in der Bioökonomie“.

Am nächsten an der Natur arbeitet Beyer: „Für meine Studien entnehme ich zum Beispiel auf dem Versuchsgelände mit einem Stechzylinder Feinwurzelproben aus der Erde und analysiere sie. Ich schaue mir den Anteil der Feinwurzelbiomasse der jeweiligen Baumart an und rechne dann hoch.“ Da Kohlenstoff in Wäldern bis zu zwei Dritteln unterirdisch im Waldboden gebunden wird, ist die Untersuchung des Feinwurzelumsatzes von grundlegender Bedeutung.

Weltweite Untersuchungen

Wichtig für eine längerfristige Speicherung von Kohlenstoff sind auch die unterschiedlichen Resistenzen der Baumarten – etwa gegen Borkenkäferbefall – sowie ihre Resilienz, das heißt Widerstandsfähigkeit gegenüber Umweltbedingungen wie zunehmende Trockenheit oder schwere Stürme. Ein Viertel des anfallenden Holzes pro Jahr ist allein auf den Borkenkäferbefall und auf Sturmschäden zurückzuführen. „Ich arbeite für das weltweit größte Baumdiversitätsprojekt, das Tree Diversity Network oder kurz: TreeDivNet. Vergleichbare Untersuchungen zu denen, wie wir sie vornehmen, gibt es unter anderem in Kanada, China und den USA“, so Beyer.

Ebenso vielfältig ist das Arbeitsfeld von Schweier: „Meine Aufgabe besteht darin, Konzepte zu erarbeiten, die es erlauben, Prozesse der Holzbereitstellung und des Transports möglichst effizient, wirtschaftlich und sozialverträglich, gleichzeitig aber auch emissionsarm und umweltschonend zu gestalten.“ Ihre Forschungen sind an der Schnittstelle zu den Umweltwissenschaften angesiedelt, von denen sie einzelne Instrumente übernimmt. Neuartig an ihren Analysen ist, dass sie über administrative Rahmenbedingungen, fachtechnische Leitlinien und ökonomische Aspekte hinaus auch auf die Umwelt bezogene und soziale Indikatoren berücksichtigt.


Der Kreislauf des Kohlenstoffes: Die schwarzen Zahlen geben an, wie viele Milliarden Tonnen Kohlenstoff in den verschiedenen Reservoiren vorhanden sind. Die blauen Zahlen zeigen, wie viel Kohlenstoff zwischen den einzelnen Speichern pro Jahr ausgetauscht wird.
Foto: Wikimedia Commons

Effizient und ressourcenschonend

So untersucht die Freiburger Forscherin das Verhältnis von Ökonomie und Ökologie, um darauf basierend Konzepte für die Bereitstellung von Holz zu entwickeln. Dabei sei es zielführend, einen Ausgleich zu finden, da rein ökologisch orientierte und somit meist kostspielige Konzepte von der Wirtschaft nicht angenommen würden. „Es geht um optimierte Prozesse, die gleichzeitig ressourcenschonend und effizient sein sollen.“ Bei ihrer Arbeit ist es immer auch wichtig, die Akzeptanz in der Gesellschaft mit zu bedenken, selbst wenn diese der technischen Entwicklung mitunter hinterherhinkt: „Es gibt eine Untersuchung, nach der ein Foto mit einer großen Erntemaschine im Wald bei 50 Prozent der Befragten auf Ablehnung stößt, während ein Foto mit einem Pferd, das Baumstämme bewegt, Zustimmung findet – und das, obwohl der Einsatz von Erntemaschinen nicht nur effizienter und rationeller ist, sondern auch mit weniger Risiken für den Waldarbeiter behaftet ist und zudem unter ökologischen Gesichtspunkten Sinn macht.“ Gleichzeitig gilt es, berechtigte Interessen von Waldarbeitern zu berücksichtigen. „Seilwinden etwa, die bei der Holzbringung eingesetzt werden, wiegen locker 50 Kilogramm. Die den ganzen Tag zu bewegen ist eine enorme körperliche Beanspruchung.“ Darüber hinaus muss die Forscherin bei ihrer Arbeit die Ästhetik des Waldes und sein Erholungspotenzial in Betracht ziehen.

Hoffen auf aktuelle politische Bewegungen

Auch Leipold behält im Blick, wie bioökonomische Konzepte umzusetzen sind. Ein großer Teil ihrer Arbeit besteht darin, ihre Lösungsvorschläge Vertreterinnen und Vertretern der Zivilgesellschaft, der Wirtschaft und der Politik zu vermitteln. Die von ihr geleitete und vom Bund geförderte fächerübergreifende Forschungsgruppe recherchiert beispielsweise den Ressourcenverbrauch bei der Herstellung von Produkten und ermittelt ökologische Fußabdrücke, so genannte Footprints. Mit diesen kann man ermitteln, wie Holz unsere Umwelt belastet, das etwa aus Indonesien nach Deutschland transportiert und hierzulande weiterverarbeitet wird, um anschließend in den Export zu gehen. Die Ergebnisse zeigen dann Optimierungspotenziale auf. „Ein Beispiel hierfür ist die so genannte Kaskadennutzung. Das kann bedeuten, dass Holz zunächst als Baustoff Verwendung findet, um später als Material für Möbel zu dienen und am Ende durch Verbrennen auch noch Energie zu erzeugen“, erklärt Leipold.

Konzepte der Bioökonomie werden in Europa und Deutschland in der Politik zunehmend berücksichtigt, „allerdings gibt es verschiedene Meinungen darüber, wie eine nachhaltige Bioökonomie erreicht werden kann“, sagt Leipold. Als einen wichtigen Hebel der Politik, die Wirtschaft in Richtung nachhaltiger Bioökonomie zu lenken – ein Ziel, für das letztlich alle drei Freiburger Forscherinnen arbeiten –, bezeichnet sie die Besteuerung von Rohstoffen bei gleichzeitiger Steuerentlastung für die arbeitende Bevölkerung. Für alle drei Wissenschaftlerinnen ist im Hinblick auf das bioökonomische Wirtschaften noch viel Luft nach oben. Ihre Hoffnung ist es, dass Bewegungen wie „Fridays for Future“ für den nötigen öffentlichen Druck sorgen und zu einem Umdenken und Umlenken in Politik und Wirtschaft führen.

Hans-Dieter Fronz