Artikelaktionen

Sie sind hier: Startseite Online-Magazin vernetzen & gestalten Wege in die Wissenschaft

Wege in die Wissenschaft

Die Universität Freiburg erarbeitet ein Personalentwicklungskonzept für unterschiedliche Karrieremodelle

Freiburg, 24.03.2017

Besser planbare Karrierewege, Perspektiven neben der Professur: Dies sind zwei zentrale Ziele des Personalentwicklungskonzepts für den wissenschaftlichen Bereich, das die Universität Freiburg derzeit erarbeitet. Nicolas Scherger berichtet über den Kurs in der Nachwuchsförderung und stellt in einem Porträt einen Wissenschaftler vor, der 2009 auf eine der ersten Tenure-Track-Professuren an der Universität Freiburg berufen wurde. Zudem informiert ein Interview über Angebote, mit denen die Universität Nachwuchsforscherinnen unterstützt.

„Wir möchten unsere jungen Forscherinnen und Forscher dazu ermutigen, eine Wissenschaftskarriere einzuschlagen, ihnen die Chancen und Risiken aufzeigen, die damit verbunden sind, und sie auf ihrem Weg begleiten", sagt Rektor Prof. Dr. Hans-Jochen Schiewer. Ein Schwerpunkt wird auf der Postdoc-Phase liegen: Nachdem die Universität etwa mit der Internationalen Graduiertenakademie sowie zahlreichen Graduiertenschulen eine breite Infrastruktur für Doktorandinnen und Doktoranden etabliert hat, will sie nun verstärkt Angebote für die Zeit nach der Promotion schaffen (siehe Interview).

Ein wesentlicher Baustein ist der Tenure Track, der sich an Postdocs richtet und nach einer erfolgreichen Bewährungsphase den direkten Übergang in eine Lebenszeitprofessur vorsieht. Das Personalentwicklungskonzept ist Teil des Antrags, mit dem sich die Universität im Juni 2017 im „Bund-Länder-Programm zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses", das bundesweit 1.000 neue Tenure-Track-Professuren finanziert, bewerben wird. Tenure-Track-Professuren gibt es in Freiburg seit acht Jahren. „Ihr entscheidender Vorteil ist, dass wir mit ihrer Hilfe vielversprechenden Talenten schon in einer frühen Karrierephase einen verbindlichen, wenn auch leistungsabhängigen Weg zur Vollprofessur bieten können", sagt Schiewer. Derzeit sind an der Albert-Ludwigs-Universität zehn Tenure-Track-Professuren besetzt, fünf weitere Forscher haben den Übergang auf eine Lebenszeitprofessur schon geschafft (siehe Porträt). Die Universität will nun zusätzlich das „Freiburger Modell" etablieren, das eine Nachwuchsgruppenleitung mit einem Tenure Track verbindet – was bisher nur im Emmy-Noether-Programm der Deutschen Forschungsgemeinschaft umsetzbar ist.

Zudem soll es künftig verstärkt möglich sein, unbefristete Stellen zu schaffen, die attraktive Alternativen zur Professur bieten. „Wir wollen neue Personalkategorien entwickeln, die junge Forscher nicht als Scheitern auf dem Weg zur Professur begreifen, sondern als Karriereziel definieren", erklärt Schiewer. Denkbare Modelle sind beispielsweise Lecturer, die sich vor allem in der Lehre engagieren, Wissenschaftsmanager, die in Fakultäten, wissenschaftlichen Zentren oder anderen Einrichtungen leitende Funktionen übernehmen, oder Core Facility Manager, die Technologieplattformen und Großgeräte verantwortlich betreuen.

Darüber hinaus befasst sich die Universität nicht nur mit Wissenschaftskarrieren: Zum Jahresbeginn 2017 hat die Geschäftsstelle Personalentwicklung im Rektorat ihre Arbeit aufgenommen – sie ist federführend bei der Erarbeitung eines ganzheitlichen Personalentwicklungskonzepts, das den wissenschaftsunterstützenden Dienst mit einschließt.


Auf nach oben: Eine Karriere in der Wissenschaft ist attraktiv – die Universität Freiburg entwickelt Angebote, um junge Talente zu unterstützen.
Foto: Jürgen Gocke

Forscherinnen fördern

Prof. Dr. Gisela Riescher, Prorektorin für Redlichkeit in der Wissenschaft, Gleichstellung und Vielfalt, stellt Angebote vor, mit denen die Universität Freiburg junge Wissenschaftlerinnen unterstützt.


Frau Riescher, warum sind spezielle Förderformate für junge Forscherinnen wichtig?

Gisela Riescher: Vor etwa 25 Jahren hatten wir 3,7 Prozent Professorinnen, heute sind es dank intensiver Arbeit an Gleichstellung und Frauenförderung fast 25 Prozent – aber wir können es uns nicht leisten, weitere 25 Jahre zu warten, bis wir 50 Prozent haben. Wir müssen uns in der Gleichstellungspolitik weiter anstrengen. Besondere Aufmerksamkeit braucht die Postdoc-Phase im Anschluss an die Promotion: Gerade in dieser Zeit verlassen viele Frauen die akademische Laufbahn – unter anderem wegen unsicherer Karriereaussichten und aufgrund der Familienplanung.

Wie hilft die Universität Freiburg in dieser Phase?

Wir haben insbesondere zwei Formate neu aufgelegt. Beim Brückenstipendium „STAY!" haben wir die Fördersumme erhöht und mit „Come and STAY!" die Zielgruppe um internationale sowie deutsche Wissenschaftlerinnen, die im Ausland geforscht haben, erweitert. Daneben läuft ein Coaching-Programm an, bei dem professionelle, passgenau ausgewählte Coaches die Forscherinnen individuell begleiten. Zudem beteiligt sich die Universität an externen Formaten wie dem Brigitte-Schlieben-Lange-Programm und dem Margarete-von-Wrangell-Habilitationsprogramm des Landes Baden-Württemberg.

Danach folgt im Idealfall die Professur. Wie lassen sich Berufungsverfahren gendergerecht gestalten?

Ein zentraler Punkt ist unser Berufungsleitfaden, der für die Verfahren verbindlich ist. Die Gleichstellungsbeauftragte spielt im Berufungsverfahren eine wichtige Rolle, es sind im Vergleich zu früher viel mehr Frauen in den Berufungskommissionen, und bei den auswärtigen Gutachterinnen und Gutachtern sind die Geschlechter gleichmäßig vertreten. Es gilt der Grundsatz, dass wir Gleichstellung fördern – also bei gleicher Eignung und Leistung die Wissenschaftlerin den Vorzug erhält.

Was würden Sie jungen Forscherinnen auf den Weg in die akademische Karriere gerne mitgeben?

Ich würde ihnen sagen, sie haben sich gut entschieden. Professorin ist einer der schönsten Berufe: Wo sonst kann man so selbstbestimmt zu den Themen arbeiten, die einen interessieren und die für die Gesellschaft wichtig sind? Sie sollten alles versuchen, um auf diesem Weg zu bleiben, erfahrene Kolleginnen und Kollegen um Rat fragen und sich nicht von Schwierigkeiten entmutigen, sondern sich von den vielen positiven Momenten motivieren lassen.


Gisela Riescher hat in ihrem Prorektorat unter anderem ein Coaching-Programm für junge Forscherinnen gestartet.
Foto: Ingeborg Lehmann

Kontakt STAY! und Coaching-Programm
Mariana Vargas Ustares
Stabsstelle Gender and Diversity
Tel.: 0761/203-9053
E-Mail:

 

Freiburgs Tenure-Track-Pionier

Sechs Jahre Habilitation ohne feste Aussicht auf eine Professur – das war für Stefan Günther keine Option. Dennoch hat er sich gegen die Industrie und für die Wissenschaft entschieden. Das ist einem Modell zu verdanken, bei dem er Pionier war: 2009 wurde er auf eine der ersten Tenure-Track-Professuren an der Universität Freiburg berufen. Damit hat er einen Weg eingeschlagen, den er nun anderen jungen Forscherinnen und Forschern nahelegt: „Liefert man gute Arbeit ab, hat man an seiner Universität auch eine längerfristige Perspektive", sagt Günther. Seit 2015 ist er Professor für Pharmazeutische Bioinformatik.

Wer eine Tenure-Track-Professur antritt, hat viel zu tun: forschen und publizieren, eine Arbeitsgruppe leiten, Lehrveranstaltungen halten, Personal managen, Drittmittel einwerben, sich in der akademischen Selbstverwaltung engagieren. Doch all das seien wichtige Aufgaben: „Man wird sehr gut auf das vorbereitet, was einen später in der Professur erwartet." Lediglich die Zeit, die er für die Verwaltung aufwenden musste, hätte er lieber in die Forschung investiert – ein Sekretariat, sagt er, wäre hilfreich gewesen. Zu kurz gekommen sei die Wissenschaft aber nicht. „Ich habe es genossen, für meine Forschung selbst verantwortlich zu sein."

Doch bietet das Modell tatsächlich mehr Sicherheit, wenn zwei Evaluationen zu bestehen sind? Günther hat es so empfunden: „Es liegt ja an mir, ob ich die erforderliche Leistung bringe oder nicht." Dabei waren die Kriterien zu seiner Beurteilung am Anfang noch nicht klar. „Das Rektorat hat aber einen Leitfaden aufgestellt und das Verfahren vor meiner Zwischenevaluation geregelt." Beim klassischen Modell dagegen gilt das Hausberufungsverbot: „Auch wenn man bei der Habilitation alles richtig macht, hat man an der eigenen Universität garantiert keine Perspektive." Mit der Folge, dass selbst hervorragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die anderswo keine passende Professur bekommen, spät in der Karriere den akademischen Weg verlassen müssen. Dann lieber die Weichen früher stellen, sagt Günther – im Wettbewerb um Tenure-Track-Professuren.

Dankbar ist Stefan Günther seinen Kolleginnen und Kollegen an der Fakultät: „Ich hatte von Anfang an das Gefühl, als vollwertiges Mitglied aufgenommen worden zu sein." Forschern, die diesen Karriereweg einschlagen, rät er, die Stellung selbstbewusst auszufüllen, die Interessen der Tenure-Track-Professorinnen und -professoren in den Gremien zu vertreten und ein eigenes Forschungsprofil zu entwickeln. „Man muss nicht auf alle hören, sondern kann sich genau überlegen, welche Ratschläge man annimmt – dann macht das Ganze viel mehr Spaß."


Mehr Sicherheit auf dem Karriereweg, eigenständiges Forschen – darin sieht Stefan Günther die wesentlichen Vorzüge einer Tenure-Track-Professur.
Foto: Klaus Polkowski