Klimageschichte à la Carte
Freiburg, 31.03.2014
|
Nicht nur für Wissenschaftler, auch für Laien, die sich für Geschichte und Klima interessieren, lohnt es sich, in der Wettervergangenheit Europas herumzustöbern. Auf tambora.org sind historische Wetterquellen verzeichnet und auf einer Karte dargestellt. (Quelle:tambora.org/Rüdiger Glaser)
Tambora.org ist nicht nur ein Nachschlagewerk für Forscherinnen und Forscher der historischen Klimatologie, sondern es ist auch eine Kommunikationsplattform auf der sie Daten austauschen, gemeinsam analysieren, vergleichen und langfristig für die Nachwelt sichern können. Die Universitätsbibliothek Freiburg ist neben dem Institut für Länderkunde Partner dieses Vorhabens und betreibt die virtuelle Forschungsumgebung www.tambora.org.
Nicht nur für Wissenschaftler, auch für Laien, die sich für Geschichte und Klima interessieren, lohnt es sich, in der Wettervergangenheit Europas herumzustöbern. War vor tausend Jahren der Winter schneereicher oder sogar wärmer als heute? Wie oft stürmte es im 18. Jahrhundert? Die Forscher können mit den Daten nicht nur Klimaentwicklungen nachvollziehen, sie lernen auch, wie Menschen zuvor mit Veränderungen in ihrer Umwelt umgingen.
- Wetterbelege aus Schriftquellen
Aus unterschiedlichsten Schriftquellen sammelten die Forscherinnen und Forscher in aufwändiger Detailarbeit Zitate mit Hinweisen auf Wetter, Witterung und weiteren umweltgeschichtlich relevanten Ereignissen. Aus solchen Belegen ermitteln sie Zeitreihen und Karten für Parameter wie Temperatur oder Niederschlag sowie Stürme und Überschwemmungen. Allein für den Ort Freiburg finden sich über 150 solcher Belege in tambora.org.
„Anno domini 1289 do was der Oktober, November und December also warm, das umb sant Thomastag (21. Dez.) zuo Fryburg im Bryßgow im predigerbomgarten die bom blügtent und sach man och daselbst unmd dieselbige zit erber und wißrosen.“ Ruppert, Philipp: Die Chroniken der Stadt Konstanz |
Im Jahr 1289 war es demnach in Freiburg sehr warm, wie dieser Textausschnitt zeigt. Er erscheint, wenn Nutzerinnen und Nutzer auf der interaktiven Karte von Tambora „Freiburg im Breisgau“ anklicken. Präzise Temperaturmessungen fehlen zwar, doch die Textangaben geben den Klimatologinnen und Klimatologen wertvolle Hinweise auf die damalige Temperatur. Um zu erfahren, welche Temperatur 1289 der heutigen Wahrnehmung von „warm“ entsprechen könnte, müssen die Klimatologen die Daten mit Messungen aus physikalisch oder geologisch gewonnenen Klimadaten vergleichen. Auf diese Weise lassen sich die Beschreibungen in den historischen Quellen eichen.
- Die Klimageschichte erkunden
Auf einer interaktiven Karte sind die in der Datenbank verzeichneten Ereignisse visualisiert. Besonders in Mitteleuropa ist die Menge der Textquellen sehr dicht. Zusätzlich zur Karte lassen sich die Daten auch dank einer Suchfunktion durchforsten. Über 110 000 Zitate vom Jahr 148 bis 2005 sind in tambora.org verzeichnet. Die Forscher entwickeln das Online-Werkzeug ständig weiter: Sie tragen neue Daten ein und verbessern die Darstellung der Karten und Datensätze.
Das Projekt läuft bereits seit 2010 und wird durch die Freiburger Physische Geographie koordiniert. Prof. Dr. Rüdiger Glaser, Dr. Dirk Riemann und Dr. Steffen Vogt ist es gemeinsam mit ihren Partnern aus der UB Freiburg, dem Institut für Länderkunde Leipzig und der FH Esslingen gelungen, das laufende Projekt tambora.org, finanziert durch die DFG, um zwei weitere Jahre zu verlängern.
Porträt des Forschers
Quelle: Rüdiger Glaser (privat) | Seit 2004 ist Rüdiger Glaser Professor für Physische Geographie an der Universität Freiburg. 1989 wurde er an der Universität Würzburg promovierte. Bis 1991 war er dort wissenschaftlicher Assistent am Geographischen Institut. 1997 wurde er mit der Arbeit „Beiträge zur Historischen Klimatologie in Mitteleuropa seit dem Jahr 1000“ habilitiert. 2001 wurde er als Lehrstuhlvertretung berufen und wechselte anschließend an die Universität Heidelberg, wo er die Professur für Physische Geographie übernahm. Für die Arbeiten im Bereich der Historischen Klimatologie erhielt er den Preis der unterfränkischen Gedenkjahrstiftung für die Dissertation (1989). Für die E-Learning Projekten PEMO und WEBGEO "erhielt er zusammen mit anderen Projektpartnern den „Virtuellen Lehrpreis" des Landes Baden-Württemberg (3. Platz) für WEBGEO (2003) und 2004 den Medienpreis der Universität Freiburg für das E-Learning Programm „PEMO“.
|
Bildergalerie
Mehr Informationen
Rüdiger Glaser,
Klimageschichte Mitteleuropas - 1200 Jahre Wetter, Klima, Katastrophen. WBG, Darmstadt (2013)