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Tanz der Neurone

Wie synaptische Kopplungen im Gehirn die Nervenzellen zur koordinierten Zusammenarbeit zwingen

Freiburg, 04.07.2016

Tanz der Neurone

Bildunterschrift siehe Text. Quelle: Staatliche Kunsthalle Karlsruhe

Es ist der perfekt abgestimmte Tanz der Neurone, der es Menschen ermöglicht zu sehen, zu hören, zu riechen, sich zu bewegen, sich zu erinnern und nachzudenken. Doch eine gelungene Choreografie setzt einen reibungslosen Austausch von Signalen voraus. Allein aus diesem Grund untersuchen Forscherinnen und Forscher Paarbeziehungen zwischen Neuronen. Doch was geschieht, wenn sich mehr als zwei Neurone zum Tanz zusammenschließen? Mit dieser Frage haben sich Stojan Jovanović und Prof. Dr. Stefan Rotter vom Bernstein Center Freiburg (BCF) der Albert-Ludwigs-Universität und dem Exzellenzcluster BrainLinks-BrainTools auseinandergesetzt und ihre Ergebnisse in der Fachzeitschrift „PLOS Computational Biology“ vorgestellt. Mit einer Kombination aus mathematischen Gedankenexperimenten und biophysikalisch inspirierten Simulationen am Computer konnten sie die in früheren Studien entwickelten Ideen zu Paarwechselwirkungen auf den Fall von Korrelationen dritter Ordnung, also Wechselbeziehungen von drei Neuronen, erweitern. Die Ergebnisse tragen dazu bei, die Aktivität des neuronalen Netzwerks besser zu verstehen.

Im Gehirn ermöglichen verschiedene Typen von Synapsen eine effiziente Kommunikation auf der Basis elektro-chemischer Botschaften. Wie genau aber das synaptische Kommunikationsnetzwerk das neuronale Ballett bestimmt, ist weitgehend unbekannt. „In einem Experiment zur Erforschung dieser Frage kann aus der unglaublich großen Anzahl beteiligter Neurone immer nur ein sehr kleiner Teil gleichzeitig beobachtet werden, aus rein technischen Gründen“, erläutert Jovanović. Aus diesem Grund sei es derzeit praktisch unmöglich, das koordinierte Zusammenwirken großer Zellverbände im Gehirn vollständig zu überblicken.

„Eine einflussreiche Theorie des Lernens besagt, dass es zunächst nur auf die beiden Neurone ankommt, die über eine konkrete Synapse kommunizieren“, erklärt Rotter. „Zwingt sie die Aktivierung des Netzwerks zu einem bestimmen Tanzschritt, dann verstärkt sich die Synapse. Geraten sie durch den Einfluss des Netzwerks aus dem Takt, dann schwächt sich die Synapse ab.“ Um herauszufinden, welche Rolle in diesem Zusammenhang so genannte Korrelationen dritter Ordnung spielen, haben die Forscher ein mathematisches Modell, den Hawkes-Prozess, angewandt. Damit ist es ihnen gelungen, die relative Bedeutung neuronaler Dreiecksbeziehungen zu berechnen. Diese Erkenntnisse könnten dazu beitragen, aus der beobachteten elektrischen Aktivität von jeweils drei Nervenzellen Schlüsse über die strukturellen Eigenschaften des Netzwerks zu ziehen und davon vielleicht sogar neue synaptische Lernregeln im Gehirn abzuleiten.

Originalpublikation:
S. Jovanović, S. Rotter (2016). Interplay between Graph Topology and Correlations of Third Order in Spiking Neuronal Networks. PLOS Computational Biology 12 (6): DOI:10.1371/journal.pcbi.1004963
http://journals.plos.org/ploscompbiol/article?id=10.1371/journal.pcbi.1004963

Bildunterschrift:
Das Gemälde „Der Kinderreigen“ von Hans Thoma (1839 – 1924) bietet eine metaphorische Illustration für Korrelationen höherer Ordnung in neuronalen Netzwerken: Neurone können sich – wie im Tanz – dynamisch als Gruppe organisieren.


Kontakt:
Prof. Dr. Stefan Rotter
Bernstein Center Freiburg
Fakultät für Biologie
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Tel.: 0761/203-9316
E-Mail: stefan.rotter@biologie.uni-freiburg.de


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