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I Can Get Satisfaction

Die Universität Freiburg präsentiert die einzigartige Sammlung eines glühenden Anhängers der Band „The Rolling Stones"

Freiburg, 27.03.2017

I Can Get Satisfaction

Foto: Max Orlich

Mick, Keith, Charlie und Ronnie – kurz: Die „Rolling Stones" kommen nach Freiburg. Zwar nicht persönlich, aber dennoch in beeindruckender Form. Das Zentrum für Populäre Kultur und Musik (ZPKM) der Universität Freiburg übernimmt eine höchst umfangreiche Sammlung mit sehenswerten wie kuriosen Einzelstücken.

Ziemlich beste Freunde: Mick Jagger und Keith Richards als Pappaufsteller. Foto: Max Orlich

Blackpool/England. Es ist der 24. Juli 1964. Der 18-jährige Reinhold Karpp sieht die Rolling Stones zum ersten Mal live auf der Bühne. „Es roch furchtbar nach Urin, man trat auf nackte Mädchen und ständig wurden (...) Personen über unseren Köpfen nach vorne gereicht", notiert er später in sein Tagebuch. „Es war der pure Wahnsinn." Doch schon nach vier Songs wird das Konzert im Empress Ballroom wegen Gewalttätigkeiten abgebrochen.

Trotz, oder vielleicht auch gerade wegen des jähen Endes, war Karpps Leidenschaft für die revolutionäre Musik der Stones geweckt. Seine Tochter Annette Karpp erinnert sich, dass ihr Vater damals Schüler eines streng geführten Jungeninternats auf der norddeutschen Insel Spiekeroog war: „Im Internat galten strikte Regeln, denen mein Vater zu entfliehen versuchte. Die Musik der Stones war für ihn der Inbegriff von Freiheit", erzählt sie. Fortan begann Reinhold Karpp alles zu sammeln, was er von der englischen Rockband erhaschen konnte. „Die Sammlung war sein Heiligtum", sagt Annette Karpp. Deshalb sei es ihm ein Anliegen gewesen, dass sie über sein Leben hinaus als Einheit bestehen bleibt.

Vor diesem Hintergrund hat sich die Familie Reinhold Karpps nach dessen Tod 2012 entschieden, die Sammlung der Universität Freiburg als Depositum zur Verfügung zu stellen. Die Rolling Stones werden deshalb nun immer wieder durch die langen Gänge des Zentrums für Populäre Kultur und Musik (ZPKM) huschen – quasi formvollendet: auf T-Shirts abgedruckt, in Buttons verpackt, auf Sitzkissen illustriert oder als Vinylplatten.

Runde Sache: ein passender Button für jede Gelegenheit. Foto: Max Orlich


Mehr als 130 Konzerte

Im Laufe seines Lebens besuchte Reinhold Karpp weltweit mehr als 130 Konzerte der Rolling Stones. Buenos Aires, Johannesburg, New York, Toronto – die Liste ist lang und der Karton, der die Konzerttickets enthält, eine interessante Quelle für die Wissenschaft. Die Familie war oft mit dabei. Und als das Ehepaar Karpp im Jahr 2000 das Karneval-Prinzenpaar in der Gemeinde Windhagen wurde, war der Prinzenwagen mit Zungen, dem berühmten Markenzeichen der Stones, bestückt. „Rheinische Rolling Stones-Leidenschaft eben", erinnert sich Annette Karpp. Sie selbst hat die Stones zum ersten Mal im Alter von acht Jahren in Köln gesehen. „Die Toten Hosen waren die Vorgruppe."

Zusammen mit ihren beiden Schwestern Sabine und Katharina, Vater Reinhold und Mutter Arleen, aber auch Onkels, Tanten, Cousins und Cousinen besuchte Annette Karpp im Juni 2003 ein Konzert auf der Leipziger Festwiese. Die Familie feierte bei der „Licks Tour" das 40-jährige Bestehen der Band. An viele der begehrten Eintrittskarten kam der Rheinländer unter anderem, weil er als langjähriger Fan Teil eines engmaschigen Netzwerks war, dessen Anhängerinnen und Anhänger sich untereinander halfen und teils sogar über persönliche Kontakte zum Management der Rolling Stones verfügten.

T-Shirts, Basecaps, Bücher und ein Flipperautomat

Karpp sammelte insgesamt 48 Jahre lang alles, was ein Rolling-Stones-Konterfei hatte: Basecaps, T-Shirts, Bücher, Zeitschriften – sogar einen Flipperautomaten und mehr als 15.000 Tonträger. „Sein Hauptinteresse galt aber immer der Musik der Band und insbesondere den Vinylplatten", sagt Annette Karpp. Die auf den ersten Blick vielleicht kurios erscheinenden Objekte sind aber wertvolle Gegenstände populärer Kultur, betont Dr. Dr. Michael Fischer, Direktor des ZPKM: „Hier bildet sich nicht nur die Leidenschaft eines Sammlers ab, sondern auch die Ausdifferenzierung des Populären sowie die Strategien der Musikvermarktung." Die Sammlung stelle aus kulturwissenschaftlicher Sicht einen reichen Fundus dar. „Neben der Musik können wir auch soziale Praktiken untersuchen, wie Star- und Fankulturen oder die unterschiedlichen Formen, sich populäre Musik anzueignen", erläutert Fischer.

Das ist der Flipper auf dem Keith Richards immer gespielt hat.Flipperautomat, Barhocker, Kalender: drei essentielle Bestandteile für jeden ernstzunehmenden Partykeller. Foto: Max Orlich

Leiser Fan

Persönlich kennenlernen wollte Reinhold Karpp seine Idole übrigens nie, das wäre ihm zu aufdringlich vorgekommen. Er war ein stiller Genießer, zu Hause, aber auch bei Konzertauftritten der Stones. Seine Schwester Dr. Ellen Sessar-Karpp erinnert sich: „Was mich immer bei Reinhold beeindruckt hat, war, dass er so ein ‚leiser Fan' war. Bei Konzerten stand er ganz still und lauschte auf jeden Ton, und kein Ton entging ihm."

Die Sammlung wurde im Laufe der Zeit so umfangreich, dass sie sogar eine eigene Etage im Wohnhaus bekam, allerdings strikt von der Familienwohnung getrennt. Einige Goldene Schallplatten auf der Treppe zum Dachgeschoss, in dem sich die Sammlung befand, sowie eine überdimensional große Rolling-Stones-Zunge vor der Tür wiesen allerdings darauf hin, dass sich dahinter etwas Besonderes verbarg.

Judith Burggrabe

www.zpkm.uni-freiburg.de

 

Auf Welt-Tour mit den Rolling Stones: Reinhold Karpp besuchte in seinem Leben fast 150 Konzerte seiner Lieblingsband. Mit den aufbewahrten Konzerttickets lässt sich die Route rekonstruieren. Quelle: Google Maps